RUDI_E_00001_SE_01 |
Die Erzählerin hat vor dem Krieg in der Kolchose gearbeitet. In dieser Erzählung erinnert sie sich an die schwierigen Verhältnisse dieser Arbeit. Tagsüber musste sie mit anderen Frauen immer auf dem Feld arbeiten, wo sie mit einem Lastwagen hingebracht wurden. Die Frauen von den Chefs der Kolchose mussten aber nicht auf dem Feld arbeiten, sie haben allesamt bessere Arbeiten im Dorf bekommen. Es gab keine Zeit, um die Arbeit im eigenen Haushalt zu machen und die Kinder sind immer alleine zu Hause gewesen. Sie bringt das Beispiel, wie sie in der Nacht Brot backen musste, weil der Teig zum Backen fertig war und tagsüber war sie auf der Arbeit in der Kolchose und hatte keine Möglichkeit, ihn zu verarbeiten. Sagen durfte man auch nichts. Sie bringt Beispiele, wie es ihr ergangen ist, als sie sich einmal traute, etwas einzuwenden. Trotz der schwierigen Arbeit in ihrem ganzen Leben ist sie nicht als verdienstvoller Mensch angesehen worden und bekommt keine Rente. Sie hat nicht einmal ein paar Kopeken Geld für ihre alten Jahre. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Arbeiten in der Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_02 |
Den heutigen schwachen Zustand ihrer Gesundheit führt die Sprecherin des Bairischen auf die schwere Arbeit in ihrer Zeit nach der Repatriierung aus Deutschland zurück, als sie unter der Aufsicht der Kommandantur lebten. Zuerst lebten sie im Sudaiskij Rayon, wo es wenige Leute gab und nur vier Häuschen. Danach überführte man sie nach Kostroma. Sie musste einen Winter lang erst viel Waldarbeiten ausführen, zusammen mit den anderen Familienangehörigen. Und als sie dann aus Gesundheitsgründen nicht mehr die schwere Arbeit im Wald machen konnte, musste sie Tag und Nacht stricken, um ihre Familie zu ernähren. Sie würde ja auch jetzt noch arbeiten wie ein Pferd, aber sie kann es nicht mehr, weil die schwere Arbeit und schlaflose durchgearbeitete Nächte ihre Folgen haben. |
Lebensbedingungen nach der Repatriierung aus Deutschland ; Gesundheit ; Arbeitsfolgen |
Erzählung |
RUDI_E_00001_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt von ihren Brüdern, wie hübsch sie als Jugendliche ausgesehen haben und was sie alles konnten und welche Späße sie gemacht haben. |
Geschwister ; Freizeitunterhaltung ; Streiche |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_04 |
Die Sprecherin erzählt, dass es im Wald wo sie in der Nachkriegszeit wohnten, einen Bären gab. Und ihr Sohn musste durch den Wald gehen, um die Frau des Vorgesetzten in die „Bolniza“ (Krankenhaus) fahren. Die Sprecherin hat für ihren Sohn gebetet, dass er gut durch den Wald kommt. |
Bär ; Umgang der Russen mit den Deutschen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_05 |
Die Sprecherin erzählt, was für Bettzeug ihre Familie hat: eine Federkernmatratze, eine Federdecke und ein Kissen von Gänsefedern. Sie sagt, dass das vollkommen ausreicht, mehr brauchen sie nicht. Sie haben schon ganz arm („wie die Hunde“) gelebt, sie hatten nichts zum Essen und die Russen haben ihnen nichts gegeben. Aber der Gott hat ihnen Kraft gegeben und sie haben diese schwere Zeit überlebt. |
Bettsachen ; Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Leben der Deutschen unter Russen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_06 |
Die Sprecherin erzählt, dass sie bei der Deportation von ihren Verwandten getrennt wurde. Sie wurde nach Kostroma geschickt und ihre Verwandten in den Ural. Von dort sind ihre Verwandten später nach Deutschland ausgewandert. Jetzt geht es ihnen gut. Sie verdienen Geld und können sich kaufen, „was ihr Herz verlangt“. |
Der Weg nach Deutschland ; Leben in Deutschland |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_07 |
Die Sprecherin erzählt ein paar Sätze darüber wie ihre Familie heute lebt: Sie haben ein Haus und eine Kuh. Kartoffeln haben sie auch. Brot backen sie selber, so dass sie gar nicht zur Verkaufsstelle gehen müssen. Das, was sie haben, reicht ihnen. |
Leben der Sprecherin heute |
Erzählung |
RUDI_E_00001_SE_08 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem Sohn und darüber wie schwer er in der Nachkriegszeit arbeiten musste. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Geld verdienen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_09 |
Die Sprecherin erzählt wie sie und ihr Neffe eine Wasserquelle gesucht haben. Die Einheimischen wollten ihnen nicht verraten, wo die Wasserquelle ist. Sie sind dann einfach einem Trampelpfad entlang gegangen und er hat sie tatsächlich zum Wasser geführt. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Trinkwasser |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_10 |
Die Sprecherin erzählt wie Wölfe vor ihren Augen ein Lämmchen überfallen und gefressen haben. Sie sagt auch, dass Leute, dessen Kälbchen verschwunden ist, denken, dass das die Deutschen sind, die sie gestohlen haben. Sie ärgert sich darüber, dass die Russen so denken. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_11 |
Die Sprecherin schildert in dieser Erzählung die Art und Weise, was und wie in dem bairischen Dorf in Sibirien gekocht wurde. Es gab selbstgebackenes Brot und Kuchen. Sie erzählt, wie viel Lebensmittel dazu genommen wurden. Außerdem spricht sie über gedämpfte und gebratene Erdäpfel (Kartoffeln) und Piroggen. Die leckeren Piroggen mit Kartoffeln ist das von den Russen übernommene Gericht, das bei allen Russlanddeutschen weit verbreitet war. Bei Balabuschki aus gegangenem Teig (Hefeteig) handelt es sich um ein Gericht mit russischem Namen, ob es auch von Russen oder Ukrainern übernommen wurde oder typisch bairisch war, ist unklar. (Möglicherweise handelt es sich hier um ein ukrainisches Gericht, da bei anderen Russlanddeutschen diese Balabuschki nicht verbreitet waren.) Zu den Balabuschki wurde Bohnensuppe gekocht. Die Sprecherin fasst selbstkritisch zusammen, sie seien deswegen so fett, weil alles so gut schmeckt. Wenn sie ein bisschen schlechter essen würden, wären sie nicht so fett. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Backen ; Kochen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_12 |
Die Sprecherin des bairischen Dialekts erzählt eine Episode aus ihrem eigenen Leben nach der Repatriierung. Als sie aus Gesundheitsgründen nicht mehr schwere Waldarbeiten durchführen konnte, wurde ihr die Brotkarte entzogen, für die sie die tägliche Ration von Lebensmitteln bekommen hätte können, wenn sie weiterhin im Wald gearbeitet hätte. Sie berichtet ausführlich über den Tag, an dem ihr diese Brotkarten weggenommen wurden. Obwohl so viele Jahre vergangen sind, bedauert die Frau immer noch sehr, dass sie damals nicht die Brotkarten genutzt hat. Sie hätte einige Karten bis dahin genutzt haben können, und so musste sie diese ungenutzt abgeben. Aber letztendlich beruhigt sie sich und dankt Gott, dass es heutzutage genug Brot zu essen gibt und dass sie nicht mehr hungern müssen. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Brotkarten ; Umgang der Russen mit den Deutschen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_13 |
Auf dem Land gibt es immer viel Arbeit. Insbesondere in der Erntezeit. Da müssen die Kartoffeln ausgegraben und runter in den Keller geschafft werden. Dann muss das Kraut eingeschnitten werden, damit es im Winter saures Kraut gibt. Die Karotten werden erst ausgemacht, wenn es schon Frost gab, damit sie süß sind, vorher nicht. Das Futter für das Vieh muss eingelagert werden in die Scheune. Und so gibt es immer Arbeit. Die fleißigen Menschen sind Wirte und Wirtinnen, aber es gibt auch welche, die dann im Winter nichts haben, und kommen dann und wollen was „Saures“, weil sie Besuch haben und in diesem Jahr nichts Saures haben. Aber die haben auch jedes Jahr nichts. Die Fleißigen haben immer was und die Nichtstauger haben „niemals nichts“ |
Vorräte machen ; die Fleißigen und Nichtstauger |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_14 |
Diese Erzählung macht deutlich, dass die Menschen in einer deutschen Siedlung nicht nur viel gearbeitet haben, sondern auch Sinn für Spaß und Humor hatten. Es geht um einen Vorfall im Dorfhaus, über den die Sprecherin kurz und bündig berichtet. Das sogenannte „Dorfhaus“ war abwechselnd immer sonntags am Mittag und Abend der Reihe nach in einem anderen Haus. Da saßen die Frauen und vollbrachten ihre verschieden Strick- und Häkelarbeiten. Auf einmal schlägt jemand von draußen Alarm, es würde am anderen Ende des Dorfes brennen. Alle springen auf und alle Fäden kommen so durcheinander, dass die Frauen danach Mühe haben, sie wieder auseinander zu machen – und es hat gar nicht gebrannt, es war nur ein Scherz. |
Streiche |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_15 |
Hier geht es um die Zeit nach der Rückkehr der Sprecherin aus Deutschland, wohin sie während des Kriegs aus ihrer Siedlung Kathrinenhof in der Ukraine verschleppt wurde. Nach der Repatriierung aus Deutschland in den Norden Russlands mussten die Bayern ihr Leben ganz neu organisieren. Da sie gar nichts besaßen, mussten sie sich vor allem um die Dinge des alltäglichen Gebrauchs kümmern. Darunter war auch ein Spinnrad, das sie sich selbst aus einer im Keller entdeckten Kinderwiege und Holz aus dem nahegelegenen Wald „gebaut“ haben. Die Reaktion der russischen „Natschalniki“ (Vorgesetzten) war Staunen und Verwunderung, denn sie haben so etwas bisher noch nicht gesehen. Die Sprecherin sagt, sie hätten nicht irgendein kleines Spinnrad wie manche Leute, sondern ein ganz großes, wie eine „Fabrik“. Die Sprecherin erzählt auch sehr ausführlich darüber, wie sie und ihr Sohn sich einen kleinen Schlitten gebaut haben. Ringsherum gab es sehr viele Bäume, und die Sprecherin macht deutlich, wie erfinderisch die Deutschen waren, als sie ihr Leben in der Nachkriegszeit in dieser neuen, ihnen sehr unbekannten Siedlungsregion begonnen haben. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Spinnrad und Schlitten bauen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_16 |
Wenn die Eltern (gewöhnlicher Weise kurz vor Pfingsten) für einen Tag weggefahren sind, haben sich die Kinder schon paar Tage im Voraus sehr gefreut. Sie haben zwar in der Abwesenheit der Eltern viel Arbeit erledigen müssen, sie haben es aber auch geschafft, noch etwas Schmackhaftes zu kochen, genau das, was sie wollten, und auch noch Zeit gehabt zum Tanzen mit den Freunden aus der Nachbarschaft. Wie genau das abgelaufen ist, schildert in dieser Kindheitserinnerung die bairische Sprecherin. Weil die Kinder früher sehr gehorsam und die Eltern sehr streng waren, wurde die Abwesenheit der Eltern als ein Feiertag empfunden. Aus der Erzählung wird klar, welche Unterstützung die Kinder in der Familie für die Eltern waren. Sie haben auf der Steppe Welschkorn (Mais) gehackt und geputzt, den Baschtan (Gemüsegarten) und den kleinen Vorgarten gehackt, das Haus von außen getüncht und drinnen gereinigt und Gräber zurechtgemacht. Dabei waren sie immer fröhlich und lustig, aber wenn die Eltern wieder zurück waren, dann wären sie wieder traurig gewesen, als ob sie kein „Maul“ gehabt hätten, wie die Frau schildert. |
Geschwister ; Freizeitunterhaltung |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_17 |
Wie die Sprecherin berichtet, kam es oft dazu, dass sie Kartoffeln gesammelt haben, die bei der Kartoffelernte liegen geblieben sind. Im Winter ist der Schnee drauf gefallen, und im Frühling dann, wenn der Schnee weg war und das Feld schon umgeackert war, lagen die Kartoffeln auf der Oberfläche. Dann sind sie aufs Feld gegangen, um die Kartoffeln zu sammeln, die noch einigermaßen zum Essen tauglich waren. Der „Natschalnik“ (Vorgesetzte) ist zufällig vorbeigefahren und hat gefragt, was sie da machen würden. Man könne doch diese Kartoffeln nicht mehr essen, sie sollten sie wegschmeißen. Aber die Frau sagte, sie haben diese Kartoffelstücke auf ein Blech gelegt, sie gebacken und dann gegessen. Und da sie hungrig waren, haben diese Kartoffeln sehr gut geschmeckt. Sie haben ja nichts zu essen gehabt, deswegen haben sie gesucht, bis sie was gefunden haben. Die Sprecherin fasst anschließend ihre Erfahrungen und Gedanken über den Hunger zusammen. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Hunger |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_18 |
Die Sprecherin hat niemals Hausaufgaben machen müssen, sie hat nur geschaut und durchgeblättert und etwas gelesen, und war für die nächsten Stunden in der Schule vorbereitet. Sie hat gut gelernt und wurde vom Lehrer oft auch als Beispiel für andere hingestellt. Mit den Knaben in der Klasse gab es verschiedene Fälle, wie immer in der Schule, und so war es auch vor so vielen Jahrzehnten in dieser bairischen Siedlung. In humorvoller Weise berichtet die Erzählerin über diese Vorfälle. Der Lehrer war ihrer Meinung nach ein sehr erfindungsreicher und phantasievoller Lehrer („wütiger listiger Schulmeister“) und sie verdeutlicht das an einem Beispiel aus dem damaligen Schulalltag. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_19 |
Obwohl die bairische Dialektsprecherin nicht sehr lange in der Waldgegend im Norden gelebt hat, kann sie sich noch gut daran erinnern, was für ein ungewöhnliches Wetter bzw. Gewitter in dieser Gegend häufig war. So berichtet sie über einen Vorfall, der sich ereignete, als sie einmal zur Mittagszeit in ihrem Garten Gemüse gehackt hat. Plötzlich ist ein Gewitter ausgebrochen. Es hat so „losgedonnert“, dass sie fast hingefallen wäre. Das war aber typisch für die Zeit und für die Gegend. Wenn die Russen ihren Feiertag Iljin-Denj (Tag des Ilja) im Monat Juli im Sommer hatten, ist immer ein „gefährliches“ Wetter gewesen. Das war für die Frau äußerst interessant. Das hätten auch die Russen selbst gesagt. Es war genau an einem Tag, als dieser Feiertag im Nachbardorf gefeiert wurde. Nebenbei nutzt die Sprecherin die Gelegenheit, einige Anmerkungen zu den Gepflogenheiten bezüglich der Feiertage in diesen nordrussischen Dörfern zu machen. |
Feiern |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_20 |
Als die Familie aus Deutschland zurückgekommen war, ging es ihnen nicht gut, erzählt diese Frau. Und als der kleine Sohn Postträger geworden ist, hat die Frau sich sehr gefreut. Er hat ein paar Kopeken verdient und etwas Brot bekommen, was eine gute Mithilfe für das Überleben war. Er war auch bei den Natschalniks (Vorgesetzten) beliebt und erfüllte seine Arbeit gut. Aber es war nicht immer leicht, denn er war ja noch ein Junge. In dieser Erzählung erinnert sich die Mutter an einige Einzelheiten dieser Arbeit ihres Sohnes und schildert die Gefahren, die ihm widerfahren sind. Konkret geht es um eine gefährliche Flussüberfahrt des Sohnes. Man erfährt hier auch viel über die Wetterzustände, die in dieser Region bei Kostroma herrschten, die von der Erzählerin damals aufmerksam beobachtet wurden. Sie fasst zusammen, dass es eine schöne Gegend war und dass man dort gut leben könnte, wenn man nicht arbeiten bräuchte. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Brot ; Wahrsagerischer Traum |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_21 |
Diese Erzählung spiegelt in einer sehr humorvollen Weise die Situation in Bezug auf die Kenntnisse des Russischen in den deutschen Dörfern vor dem Krieg wider. Als einmal ein russischer Kamerad des Vaters aus dem benachbarten Dorf in Abwesenheit des Vaters zu Besuch kam und nach dem Vater fragte, konnten die beiden deutschen Mädchen nur das einzige Wort „sdrastwujte“ (Guten Tag) verstehen und wiederholen. Obwohl der Vater Russisch konnte, hatten seine Kinder überhaupt keine Russischkenntnisse. Es gab nur wenige Situationen, wenn die Deutschen in Kontakt mit Russen aus den Nachbardörfern kamen, wie z.B. der Vater der Erzählerin. Er besaß eine Schmiede, und hatte oft auch russische Kunden, so dass er des Russischen einigermaßen mächtig war, wie aus der Erzählung hervorgeht. Er hat z.B. auch bekannten Russen beim Schlachten geholfen und deutsche Würste mit ihnen hergestellt. Seine Kinder aber kamen kaum in Kontakt mit russischer Bevölkerung und haben daher auch keinerlei Russischkenntnisse gehabt. |
Alltag der Russlanddeutschen ; Sprachkenntnisse |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_22 |
Hier erinnert sich die Sprecherin an die schwere Zeit gleich nach dem Umzug in dieses sibirische Dorf. Die Familie hatte weder ein Haus noch einen Garten, und oft gab es Zeiten, in denen sie nichts zu essen hatten. Sie schildert einen Fall, als einmal die Kinder im Haus, wo sie gewohnt haben, im Stall Eier gefunden hatten, die von ihren eigenen Hühnern gelegt wurden. Diese Eier haben sie dann im Geschäft abgeben können und dafür Zucker und Brot bekommen. Da waren sie sehr glücklich, dass sie wieder genug Süßigkeiten gegessen haben. (Das war so üblich in Sibirien, dass Eier im Geschäft auf Lebensmittel umgetauscht wurden.) Aber heutzutage ist es nicht mehr so, konstatiert die Sprecherin. Sie haben ein Haus und einen Garten und müssen nicht mehr hungern. Der Garten ist eine große Hilfe. Sie warten auch nicht, bis das Gras unter den Füßen wächst. Wenn der Frühling da ist, wird alles rechtzeitig umgegraben, eingepflanzt und gesetzt, so dass der Garten gedeihen kann. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Hunger ; Garten |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_23 |
In dieser kurzen lustigen Erzählung berichtet die Sprecherin über die verschiedenen Sachen, die sie besitzt. Das sind z.B. sehr viele verschiedene Schuhe. Sie zählt die Typen dieser Schuhe auf und beschreibt sie, was die anwesenden Familienmitglieder und Nachbarn zum Lachen veranlasst. Sie hat auch sehr viele verschiedene Tüchlein und auch sehr viel Stoff, aus dem man was nähen könnte. Sie braucht also gar nichts und was sie eigentlich will, das ist ihre Ruhe. Sie möchte nur sitzen und Ruhe haben, das ist das allererste, was sie will. |
Schuhe |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_24 |
In dem bairischen Dorf in Sibirien gab es nicht viel im Geschäft zu kaufen, so dass jeder in der eigenen Wirtschaft seine Lebensmittel hat erzeugen müssen. Die Sprecherin erzählt darüber, wie Hühner, Enten und Gänse gezüchtet wurden und welche Köstlichkeiten sie daraus kochten. Die Küken, Entlein und Gänslein wurden liebevoll aufgezogen, gehütet und gefüttert. Die Gänslein wurden auch auf Gänseweiden mit Distelgras zum Grasen gebracht. Es war die übliche Tätigkeit der deutschen Frauen in allen Dörfern. Dann wurden im Sommer, Herbst und Winter leckere Gerichte gekocht. Das ist vor allem die von allen Russlanddeutschen geliebte Nudelsuppe mit selbstgemachten Eiernudeln. Auch von Entenfleisch wurde Nudelsuppe gekocht. Besonders auch gefüllte im Ofen zubereitete Enten waren weit verbreitet. Bei Bayern war die Füllung aus Weichselkirschen und anderem getrockneten Obst beliebt. Auch wurde häufig Sülze mit Geflügelfleisch zubereitet. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Geflügelzucht ; Gerichte |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_25 |
Gemüse war ein wichtiger Teil der Ernährung in allen sibiriendeutschen Siedlungen. Die Sprecherin zählt auf, welche Gemüsesorten in ihrem Dorf verbreitet waren. Das wichtigste Gemüse waren Kartoffeln, und es wurden sehr viele Kartoffeln gesetzt und geerntet, sowohl für Menschen, aber auch für das Vieh. Die Kuhmilch war dadurch fett und es gab viel Butter. Weitere Gemüsesorten waren Tomaten, Kraut, Zwiebeln, Knoblauch, Karotten und rote Rüben. Die Sprecherin kannte sich besonders gut im Pflanzen und Pflegen von Bäumen aus, da ihr Vater Gärtner war und ihr das Wissen über Bäume übermittelt hat. Sie schildert ausführlich ihre Kunst, die Bäume zu pflegen. Gerne würde sie auch der nächsten Generation dieses Wissen vermitteln. Aber nach der Meinung der Sprecherin macht die heutige Generation vieles anders als früher und vieles falsch. Insbesondere falsch ist zum Beispiel der Umgang mit der Ernte, es wird alles ganz anders gemacht als früher und ein Großteil der Ernte geht kaputt. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Gemüseanbau ; Garten ; Pflanzen der Bäume ; Getreide |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_26 |
Nachdem die Sprecherin mit ihrer Familie aus Nordrussland in ein Dorf in Sibirien umgezogen ist, hat sie begonnen, ein Haus zu bauen. Die Erzählung vermittelt die Information, wie sich ein typischer Hausbauprozess zur damaligen Zeit in Sibirien gestaltete. Zuerst wurde ein Kredit aufgenommen, dann die Materialien wie Holz und anderes beschaffen. Das Grundstück musste mit dem Traktor von Hüttenresten befreit und gereinigt werden. Üblicherweise wurde ein „Woskresnik“ veranstaltet, d.h. Verwandte und Nachbarn kamen zusammen und haben zusammen einen Tag lang, am Samstag oder Sonntag, am Haus gebaut. Die Sprecherin schildert mit großer Genauigkeit die einzelnen Schritte, aus denen ein solcher Hausbau in Sibirien bestand. Oft ist es auch passiert, dass der Lehm sich nicht an den Wänden gehalten hat und die ganze Wand „runtergerutscht“ ist, wie das auch bei der Sprecherin passierte. Das hat sie so aufgeregt, dass sie geweint hat. Aber es musste dann noch einmal geschmiert werden, bis der Lehm an den Wänden hängen geblieben ist. Es gab auch noch viele andere Schwierigkeiten, und sie mussten auch noch ein zweites Mal „Ssude“ (Kredit) aufnehmen, da das Geld nicht gereicht hat. |
Hausbau |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_27 |
Hier erinnert sich die Sprecherin an die Hochzeiten in ihrer bairischen Siedlung in der Ukraine vor dem Krieg. Es ist damals sehr lustig gewesen auf Hochzeiten. Zuerst ist man unter dem Schießen von Flinten und mit viel Musik in die Kirche gegangen, dann musste die Braut „ausgekauft“ werden, danach wurde man getraut. Dann ging man in das Haus, wo die Hochzeit war. Es wurden sehr viele Menschen eingeladen damals zur Hochzeit und es war ein großer Hochzeitszug. Ausführlich erzählt die Sprecherin über den Verlauf der Hochzeit und die damaligen Hochzeitsbräuche. Gekocht wurde auch verschiedenes, viel Fleisch, Borschtsch, Nudelsuppe und Reissuppe. Es war damals der Brauch, dass alle eingeladenen Gäste ihr eigenes Geschirr zur Hochzeit mitgebracht haben, sonst hätte die Hochzeit mit so vielen Gästen ja gar nicht gefeiert werden können. Und so ging die Hochzeit drei Tage lang, und die Sprecherin merkt ironisch noch an, die Hochzeit hätte auch noch länger gedauert, wenn die Mutter der Braut die alten Großväter nicht nach Hause geschickt hätte. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_28 |
Hier geht es um die Ankunft der aus Deutschland repatriierten Familie der bairischen Sprecherin nach dem Krieg in dem Ort der Ansiedlung im Norden Russlands. In der Nacht sind sie in das Haus gebracht worden, wo sie zuerst wohnen sollten. Das war ein Holzhaus, deswegen haben sie keine Streichhölzer angesteckt. Sie waren von dem sehr langen Weg müde und haben ihre Bündel auseinander gemacht und sind eingeschlafen. Als sie am Morgen aufgewacht sind, waren ihre Nasen steifgefroren, aber sie haben schlafen können, weil sie aus der Ruhe gewesen sind, hungrig und durstig waren. Dann entdeckten sie im benachbarten Zimmer einen Keller ohne Deckel, d.h. wenn sie in dieses Zimmer gegangen wären (in der Dunkelheit), dann wären sie bestimmt da hineingefallen. Aber der Herrgott hätte sie gerettet, sie waren nicht in dieses Zimmer gegangen. Es ist ihnen so ergangen wie den Hunden, so mussten sie überleben, zieht die Sprecherin die Schlussfolgerung. Sie hatten nichts zu essen und trinken und kein Fußzeug während der Kälte. Sie wundert sich, wie sie es überhaupt geschafft haben, zu überleben und nicht vor Hunger und Durst zu sterben. Aber sie mussten weiter leben. Die Sprecherin berichtet dann, wie sie (mit ihren Kindern) am ersten Tag nach einer Wasserquelle suchte und wie sie eine gefunden und gereinigt haben, so dass sie nun wenigstens Trinkwasser hatten. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Holzhaus |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_29 |
In den früheren Zeiten gab es in Sibirien viele Wölfe. Oft haben Wölfe auch Menschen überfallen. Über einen solchen Fall berichtet die Frau in dieser Erzählung. Sie schildert ausführlich den Kampf eines Mannes mit dem Wolf. Der Mann hat es mit großen Mühen geschafft, den Wolf auf den Buckel zu bekommen und ihn so angepackt, dass er ihn halten konnte, obwohl der Wolf sich gewährt und mit den hinteren Füßen den Mann ganz verkratzt hat. Der Mann hat geschrieen, dass man es von außerhalb des Dorfes gehört hat. Als er im Dorf ankam, bekam er Hilfe von anderen Männern. Es ist ihnen gelungen, den Wolf in die Scheune hineinzubringen und ihn dann mit Knüppeln zu erschlagen. Aber der Mensch war krank danach. Wölfe waren eine große Bedrohung für Menschen, denn es gab wenig Futter. Auch die Erzählerin hatte vor Wölfen große Angst. |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_30 |
Die Erzählerin, die eine sehr gute Strickerin war, hat auch für die Vorgesetzten gestrickt, bei denen sie sich monatlich melden mussten, da sie unter der Aufsicht der Kommandantur lebten, nach ihrer Repatriierung aus Deutschland. In dieser Erzählung schildert die Sprecherin einen solchen Fall. Sie hat für den Vorgesetzten ein schönes Hemd mit aufgesetzten Taschen und für seine Frau ein Tüchlein aus Kaninchenwolle mit einem sehr schönen Strickmuster gestrickt. Aus der übrigen Wolle hat sie noch Handschuhe für sie gestrickt. Da sie scheu war und kein Geld von Vorgesetzten fordern konnte, hat sie als Belohnung für die Arbeit von ihnen vier sehr fette Heringe bekommen und eine Teekanne voll Milch und etwas Brot. Sie war sehr glücklich und hat für die Leute gebetet, weil sie so gut waren und ihren Hunger gestillt haben. Häufig hat sie von verschiedenen Leuten für das Stricken Lebensmittel bekommen. Auch ihre jüngste Tochter hat sie dann oft zum Betteln geschickt, da sie wenig oder gar nichts zum Essen hatten in diesen Nachkriegsjahren. |
Geld verdienen mit Stricken |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_31 |
Die Sprecherin liebte starken Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Aber eigentlich darf sie – bedauerlicherweise – keinen Kaffee mehr trinken. Es kam ihr vor, sie würde in einen Brunnen hineinfallen, wenn sie sich nach dem Kaffeetrinken hingelegt hat. Auch ihre Schwester hat ihr gesagt, sie würde verrückt („närrisch“) werden, wenn sie nicht aufhört. Bildhaft führt die Sprecherin aus, wie es ihr einmal ergangen ist, als sie zu viel und zu starken Kaffee getrunken hat. Nach diesem Ereignis musste sie mit dem Kaffeetrinken aufhören. Aber sie würde „gefährlich“ gerne einen Kaffee genießen. Wenn sie nach Deutschland kommen würde, dann würde man sie vielleicht von diesem Leiden kurieren und sie könnte wieder Kaffee genießen. |
Gesundheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_32 |
Neben Tüchern hat die Erzählerin auch Handschuhe und Fingerhandschuhe für Leute gestrickt. Das kann aufwendig sein, denn für jeden Finger muss getrennt gestrickt werden. In der Erzählung geht es aber nicht nur um Stricken. Sie erzählt über den Fall, als sie für die „Natschalniks“ (dt. Vorgesetzten) gestrickt hat und nutzt die Gelegenheit, auch allgemeine Fragen zu thematisieren, wie z.B. die Frage, wie es sein kann, dass der Mann neue Fingerhandschuhe hat und seine Frau nicht einmal weiß, woher. Außerdem erläutert sie ihre Meinung bezüglich der Frage der Bezahlung für das Arbeiten. Sie hätte zwei Eimer Kartoffeln gegeben, und nicht einen. Was sei ein Eimer Kartoffeln, wenn der Hunger aus den Augen scheint. Auch der kleine Sohn der Frau wurde von dem Kommandant beleidigt. Aber sie ist trotzdem optimistisch und glaubt an Gerechtigkeit, weil sie niemals Menschen beleidigt hätte, hat sie bis jetzt nicht gemacht und wird es auch nicht machen, denn das ist eine Sünde. |
Umgang der Russen mit den Deutschen in der Nachkriegszeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_33 |
Man erfährt hier über die ersten Berührungen der bairischen Umsiedler mit der einheimischen Bevölkerung in der fremden nordrussischen Gegend. Zu Beginn mussten sie im Wald arbeiten, also Tätigkeiten ausüben, die für sie fremd waren, weil sie vor dem Krieg in den ukrainischen Steppen lebten. Auch mussten sie zum ersten Mal russische Bastschuhe tragen, was für sie sehr befremdlich war. Die Sprecherin erinnert sich an die Zeit, als sie noch bei ihren Eltern in der Ukraine lebte. Wenn Bettler umhergegangen sind, haben sie solche Bastschuhe (russ. Lapti) angehabt. Als Kinder sind sie ihnen nachgelaufen und haben sich diese merkwürdigen Schuhe angesehen. Und jetzt sind Zeiten gekommen, in denen sie selbst solche tragen mussten. Durch diese Tatsache war die Erzählerin niedergeschlagen. Sie berichtet auch über die Waldarbeit, die den Deutschen aus den ukrainischen Steppen fremd war. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie diese Arbeit nicht gekannt und wussten nicht, wie man sie richtig ausführt. Aber sie haben sich trotzdem durch die schwere Zeit durchgeschlagen und haben „durchgelebt“. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Arbeiten im Wald ; Bastschuhe ; Essen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_34 |
Hier werden die Eindrücke bezüglich des Wetters während des Lebens „im Wald“ dargestellt, denn nach der Repatriierung aus Deutschland wurde die Erzählerin mit ihrer Familie in eine Gegend gebracht, wo es nicht Steppe – wie in der Heimat Ukraine – gab, sondern Wald. Ihr hat das Wetter im Wald sehr gefallen. Alles war gut, es gab keinen Wind, denn der Wind wurde nach der Meinung der Sprecherin von den vielen Bäumen aufgehalten, und deswegen war es sehr still und windlos. Aber jetzt (zum Zeitpunkt der Erzählung) wäre es dort auch nicht mehr so schön, wie früher, weil die Bäume von Menschen ausgehackt wurden und so könne der Wind nicht mehr aufgehalten werden. Aber es ist trotzdem immer noch eine schöne und gesunde Gegend, weil es dort so viele Tannenbäume gibt und deswegen ist die Luft sehr gut und gesund |
Wetter ; Wald |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_35 |
Es handelt sich um eine Kindheitserinnerung, die von der bairischen Sprecherin sehr nuancenreich erzählt wird. Die Erzählung gibt eine gute Vorstellung davon, wie sich dieses Ereignis in Realität abgespielt hat. Die Geschichte hat sich an einem Tag abgespielt, als der Luziatag war und die Eltern nicht zu Hause waren. Die ältere Schwester und der Vetter haben den jüngeren Geschwistern „Angst eingejagt“. Sie haben einen nach außen umgedrehten Pelz angezogen, große Ketten angelegt und das Gesicht zugebunden, damit sie von den Jüngeren nicht erkannt werden konnten. Dann haben sie eine kleine Mulde genommen, ein Messer eingelegt und wiederholt „ein Muldchen voll Darm“ gerufen. Dieser Spaß hat die kleineren Kinder aber sehr erschreckt, sie haben geschrieen und geweint und sich auf der Ofenbank in die Ecke gedrückt vor lauter Angst. Dafür wurden die Älteren dann von den Eltern gerügt. |
Streiche |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_36 |
Die Sprecherin erzählt, dass sie als „deutsche Meisterstrickerin“ bekannt war. Alle Russen wollten sich etwas von ihr stricken lassen. Sie hat besonders viele schöne Sachen mit ausgewählten Strickmustern gestrickt, so dass die Russen damit geprahlt haben, dass z.B. eine Strickjacke von der „Nemka“ (die Deutsche) gestrickt wurde. Wenn sie damals mal auf den Markt gekommen ist, dann haben die Russen sie umringt und haben gefragt, ob sie ihres auch schon angefangen hätte zu stricken. Manchmal konnte sie sich gar nicht erinnern, dass diese oder jene Russin bei ihr jemals war und Wolle zum Stricken gebracht hätte. Später dann hat sie nicht mehr gestrickt, weil ihre Kinder ihr es nicht mehr erlaubt haben, da sie schon fast blind war vor lauter Stricken. Aber das war eine schwache Abwehr, denn die Russen sind gekommen und standen wie Bettler neben der Tür, und haben gebeten, sie möge doch so gut sein und ihnen noch einmal was stricken, nur das eine Mal noch, dann kämen sie nicht mehr. Die Russlanddeutsche hat sehr viel gestrickt. Wenn sie das aufgeladen hätte, dann wäre ein ganzer Lastwagen vollgepackt gewesen mit den von ihr gestrickten Sachen. |
Geld verdienen mit Stricken |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_37 |
Als die Bayern aus Deutschland zurück nach Russland repatriiert wurden, kamen sie in eine Waldgegend im Norden Russlands. Im Frühling haben sie sofort begonnen, ein großes Stück Land zu erschließen. Die Erzählerin berichtet ausführlich, wie sie das Land bearbeitet haben. Es waren vor allem Frauen und Kinder unter diesen repatriierten Deutschen. Sie erzählt über die Familie ihrer Schwägerin (die Frau ihres ältesten Bruders) mit den vier Töchtern und ihre eigene Familie. Sie alle waren schwach, haben aber trotzdem viel Gemüse und Kartoffeln gepflanzt, damit sie etwas zum Essen hatten. Zum Beispiel hatten sie Bohnen aus Deutschland mitgebracht, die haben sie gepflanzt und es hat eine sehr gute Ernte gegeben. Sie haben viel gearbeitet und waren sehr schwach. Als die „Natschalniki“ (Vorgesetzten) kamen, haben sie gemeint, die Deutschen wären ja doch sehr fleißig und hätten sich hier ja fast eine ganze Steppe bepflanzt, und nicht nur einen kleinen Vorgarten, wie es bei den dortigen Einwohnern üblich gewesen war. |
Neulanderschließung ; Lebensbedingungen nach der Repatriierung aus Deutschland |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_38 |
Die Sprecherin schildert, wie die Deutschen vor dem Zweiten Weltkrieg Ostern gefeiert haben. Sie gibt die Möglichkeit, zu erfahren, welche Unterschiede zum Beispiel zwischen diesem Feiertag in Deutschland und in einer deutschen Sprachinsel bestehen. Es geht um die Zeit, als die Großeltern der Sprecherin noch lebten, und als sie noch daheim, d.h. in der Ukraine, in ihrem deutschen Sprachinselort war. Sie trägt auch ein Gedicht und Lied auf Hochdeutsch vor, d.h. sie ist auch in gewissem Ausmaß der hochdeutschen Schriftsprache mächtig. Sie erinnert sich noch gut an die Osterfeste in der Ukraine. Aus der Kindheitserinnerung der Sprecherin wird deutlich, wie sie die Osterzeit in der Ukraine empfunden hat. Auch war das Wetter natürlich zu Ostern viel schöner in der Ukraine als in Sibirien. In der Ukraine war es warm, die Hähne haben gekräht, die Hühner gesungen und es war sehr schön. Und was ist in Sibirien? Sie haben zwar sechs Hühner, aber der Hühnerstall ist zu Ostern „wütig“ kalt, den Hühnern gefrieren die Kämme und Zehen und sie legen erst im Mai Eier, und Ostern ist schon im März gewesen. Und manchmal, wenn sie Eier zu Ostern haben, dann haben sie keine Farbe, höchstens Zwiebelschalen. |
Sitten und Gebräuche: Ostern ; Osterlieder ; Frühling |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_39 |
Die russlanddeutsche Frau erzählt über die letzte Etappe des Repatriierungsprozesses – der Ankunft in einem kleinen Ortspunkt in Nordrußland, dem Ziel der Zwangsrücksiedlung aus Deutschland. Sie wurden nachts mit der Fuhre von einem Polen zu einem Haus gebracht, wo Licht war. Der Pole wurde schon vor fünf Jahren in diesen Ort deportiert und hatte offensichtlich schon seine Erfahrungen gesammelt. Er gab den Neuankömmlingen den Rat, sich Ziegen anzuschaffen, damit würden sie besser durchkommen. Die Ankunft war nicht einfach. Die Frau und ihr Neffe mussten einen Trick anwenden, damit sie in das Haus der Einheimischen eingelassen wurden. Die Kinder konnten dann dort übernachten, und die Erzählerin und andere Erwachsene mussten in ein unbeheiztes Haus gehen und dort übernachten. Am Morgen waren ihre Nasen vor Kälte steif. |
Lebensbedingungen nach der Repatriierung aus Deutschland |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_40 |
Die Ukraine ist bekannt für ihren Reichtum an Wassermelonen. Auch in diesem deutschen Dorf am Dnjepr gab es viele rote Harbusen („Wassermelonen“). In der Kindheitserinnerung geht es um die alltäglichen Späße und Streiche, die mit Wassermelonen verbunden sind. Es gab zu dieser Zeit noch die Privatwirtschaften und Verwandte haben oft miteinander Sommerarbeiten erledigt. Die Kinder bzw. Jugendlichen haben früh angefangen zu arbeiten, es gab aber natürlich immer auch noch Zeit für irgendwelche Späße und Streiche. An einen solchen erinnert sich die Erzählerin, die anscheinend einen guten Sinn für solche Späße hatte. Ihr jüngster Bruder war auch für solche Vorkommnisse im Alltag sehr offen, und so konnte nur die Einmischung der Mutter Klarheit in die Angelegenheiten bringen. Klar wird aus der Erzählung, welche schöne und entspannte Kindheit und Jugendzeit die Sprecherin in ihrer Familie erlebte. |
Späße und Streiche im alltäglichen Leben |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_41 |
Als sie aus Deutschland zurückkamen, wusste die Sprecherin zunächst nicht, wie sie ihre Familie durchbringen sollte. Sie konnte aus Gesundheitsgründen nicht im Wald arbeiten, wie das alle anderen Einwohner in dieser Gegend machten. Dann hat sie versucht, für Leute zu stricken. Erst haben die Russen ihr nicht getraut, aber als sie herausgefunden haben, was für eine ausgezeichnete Strickerin sie war, wurde sie berühmt und weit bekannt für ihre Erzeugnisse. Sie hat dann sie so viele Aufträge bekommen, dass sie gar nicht alles hat übernehmen können. Die Sprecherin erzählt ausführlich über die verschiedenen Modelle und Strickmuster, die bei Russen besonders gut angekommen sind. Für das Stricken hat sie etwas Geld und manchmal Lebensmittel bekommen, dadurch hat sie ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Kinder gerettet. |
Lebensbedingungen nach der Repatriierung aus Deutschland ; Geld verdienen mit Stricken |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_42 |
Obwohl die Mutter sich sehr über das kleine Einkommen ihres Sohnes als Postträger (bzw. Berichterstattungs-Träger) gefreut hat, hat er ihr andererseits doch sehr leid getan, da er mutterseelenallein – manchmal auch nachts – durch den Wald gehen musste, wenn er die Post abgeholt hatte. Und als es dann geheißen hat, er solle noch in einen anderen, weiter entlegenen Ort gehen, um auch von dort die Berichterstattung abzuholen, hat sie den Entschluss gefasst, dass sie dann den Sohn zu Hause lässt. Er kann ihr dann helfen beim Spinnen, dann kann sie schneller stricken und somit die Familie ernähren. Sie kaufen dann Kartoffeln für das Geld. Sie hätte ihren Sohn nicht hierher gebracht, damit ihn die Wölfe überfallen. Es ist schon genug, dass er nachts durch den Wald muss, wo es keinerlei Straße gibt, wo Bäume überall auf dem Weg liegen und den Weg versperren. Er hat sich schon so hingearbeitet, dass er gar nicht mehr laufen kann, seine Füße sind schon geschwollen. Sie erzählt über einen Fall, der sich einmal abgespielt hat, als die Berichterstattung noch kurz vor zwölf Uhr in der Silvesternacht in der Stadt sein müsste. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Postmann |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_43 |
Wenn ein Samstag kommt, dann gibt es viel Arbeit im Haushalt. Das Haus muss aufgeräumt werden, und es muss Brot gebacken und gekocht werden. Das Vieh muss versorgt werden. Beim Aufräumen wird am Samstag alles gründlich gemacht, Staub gewischt, Fußbodenbeläge rausgeschleppt und ausgestaubt und Spinnweben weggewischt. Beim Kochen gibt es zurzeit Probleme mit dem Brennzeug. Einen Gasherd hat die Familie nicht, weil die Sprecherin den Gestank nicht verträgt, und kochen muss aber sie, deswegen haben sie den Gasherd abgeschafft. Geheizt wird mit Stroh, es gibt viel Asche. Dann kommt das Vieh nach Hause, man muss melken und mit dem Butterfass oder Separator die Milch läutern, damit es Schmand und Butter gibt. Dann wird alles gespült, der Hof gekehrt. Und so gibt es den ganzen Samstag Arbeit. Am Abend geht die Jugend ins Kino, aber die Sprecherin nicht, sie setzt sich stattdessen an das Fenster und hört zu, was das Radio erzählt, bis sie sich langsam zu Bett begibt. So ist auch der Samstag rum. |
Alltag am Samstag |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_44 |
Die bairische Sprecherin erzählt ausführlich und äußerst interessant über eine Episode in ihrer Vergangenheit, die mit dem Stricken zusammenhängt. Die Sprecherin hat einmal ein Tüchlein für eine russische Frau gestrickt. Als sie das fertige Tuch vorbeibrachte, war nur die Mutter der Frau zu Hause. Diese russische Babuschka wollte aber nichts dafür zahlen. Die Sprecherin erzählt ausführlich, wie viel Aufwand es war, so ein Tüchlein herzustellen. Da sie keine andere Einkommensquelle hatte, war sie auf das Geld für ihre Arbeit angewiesen und hat sich daher sehr aufgeregt, dass die russische Oma nicht zahlen wollte. Sie ist aber standhaft geblieben, weil die bekannte Schneiderin, die ihr diesen Auftrag vermittelte, sie schon vorgewarnt hatte, dass diese Kunden häufig bei solchen Bestellungen nicht zahlen wollen. Auf diese Weise ist es ihr gelungen, doch noch die nötige Geldsumme für ihre Arbeit zu bekommen. |
Geld verdienen mit Stricken |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_45 |
Der junge Sohn der bairischen Sprecherin war als Postträger tätig, in dem kleinen Ort, in dem sie nach der Repatriierung aus Deutschland gewohnt haben. Auch bei schlechtem Wetter musste er die „Swodka“ (Bericht) zum Ziel bringen. Sie berichtet über einen Fall, als schreckliches Unwetter herrschte und ihr Sohn unterwegs war, zusammen mit den Vorgesetzten. Es hat stark geblitzt und gedonnert, geregnet und gehagelt. Die Vorgesetzten hatten alle Soldatenuniformen an, und nur der Sohn, in den Augen der Mutter ein „abgemagertes Bübchen“, war ganz schlecht gekleidet. Er hat der Mutter so leid getan. Das Bild steht der Frau noch heute sehr deutlich vor Augen. Der Sohn ist erst gegen Morgen nach Hause gekommen und berichtet der Mutter, was für eine schreckliche Nacht das gewesen sei. Sogar die Vorgesetzten hätten gesagt, das wäre ja noch gefährlicher als im Krieg. Das wäre ein typisches Wetter für den Norden, schlussfolgert die Erzählerin. |
Wetter |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_46 |
Diese Erzählung berichtet über die ersten Jahre nach der Repatriierung. Nicht nur die Erwachsenen hatten eine schwere Zeit, auch die Kinder blieben nicht verschont. Der Sohn der Erzählerin war Postträger und hat seine Arbeit sehr pflichtbewusst erfüllt. Um die Post rechtzeitig zu liefern und abzuholen, musste er über einen Fluss. Eines Tages gab es einen Vorfall auf der Fähre. Es wird deutlich, dass es die Russlanddeutschen in der neuen Gegend in der ersten Zeit des Lebens dort mit verschiedenen einheimischen Russen zu tun gehabt haben. Es gab welche, die sind mit ihnen schlecht umgegangen wie zum Beispiel der Kommandant, und es gab aber auch welche, die zu ihnen gut waren, z.B. der Natschalnik (Vorgesetzte) und der Schreiber und seine Tochter in dieser Erzählung, denen der kleine Junge auch leid getan hat. Noch überzeugender wirkt diese Feststellung durch die Bestätigung der Tochter der Sprecherin aus dem Hintergrund (die Tochter war bei diesem Interview ebenfalls anwesend). |
Umgang der Russen mit den Deutschen in der Nachkriegszeit ; Kinder |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_47 |
Als die russlanddeutschen Bayern in ein Dorf mit nordrussischen Einheimischen hinein gesiedelt wurden, dann haben nicht nur die Russen diese deutschen Neuankömmlinge beobachtet, sondern auch umgekehrt, die Russlanddeutschen waren über manches im neuen Ort überrascht. Das wird in dieser Erzählung sehr deutlich. Die russlanddeutsche Frau fand es dort äußerst interessant. Sie hat besonders die Frauen in dem Dorf unter die Lupe genommen. Es wäre unglaublich, wie akkurat und sauber die gewesen seien. Was die Erzählerin besonders faszinierte, war die Tatsache, dass in dem Dorf viele Teppiche aufeinander gelegt wurden und dass es auch gute selbstgewebte Teppiche waren. Sie hat genau zugeschaut und erzählt ausführlich, wie in diesem Dorf die Teppiche gewebt wurden. Auch Handtücher und Tüchlein haben die Frauen dort selbst hergestellt. Es seien gute Wirtinnen. |
Teppiche weben ; Eindrücke vom Leben der Russen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_48 |
Die russlanddeutschen Bayern aus der Ukraine wurden während des Krieges nach Deutschland gebracht, dann wieder zurück nach Russland repatriiert. Sie wurden im Norden Russlands „im Wald" angesiedelt. Die bairische Sprecherin berichtet in dieser Erzählung, dass sie gegenüber Leuten im Wald – den Russen – sehr gastfreundlich waren. Einmal hat sie zwei russische Menschen – eine Frau und einen Mann – über Nacht behalten. Da sie kein übriges Bett hatte, musste sie selbst auf einer Ofenbank schlafen und die Gäste durften in ihrem Bett schlafen. Sie hatte für die Besucher einen schönen Salat aus saurem Kraut und Öl gemacht, typisch bairische „Quellerdepfel" gekocht und Tee zubereitet. Die Menschen waren sehr dankbar, dass sie übernachten durften. Die Sprecherin würde jeden Menschen übernachten lassen, auch wenn es Zigeuner wären. Sie vergleicht die Situation mit der Zeit, als sie selbst kein Dach über dem Kopf hatten und auch froh gewesen wären, wenn sie jemand über Nacht behalten hätte. Sie hatten schon sehr schlechte Zeiten erlebt. |
Hilfsbereitschaft |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_49 |
Ein Vorfall steht im Mittelpunkt, der kurz nach der Repartierung aus Deutschland stattgefunden hat. Die Sprecherin ist zu einer Wasserquelle gegangen, in dem neuen Wohnort, in dem sie und ihre Kinder angesiedelt wurden. Der Vorfall zeigt, dass es zu Beginn des Aufenthalts im neuen Ort Schwierigkeiten mit den Einheimischen gab. Sie musste in sehr schwierigen Verhältnissen leben, es gab keine Heizung, obwohl es Winter war, und kein Essen, sie musste auf Leben und Tod stricken, um irgendwelche Lebensmittel zu bekommen und die drei Kinder zu ernähren. Als die „Wirtin“ sie nicht an die Quelle lassen wollte, sagte die Sprecherin, das Wasser sei von Herrgott allen Menschen gegeben und es gehöre daher allen. Und wenn es der Wirtin nicht recht sei, dann käme sie nicht in den Himmel. |
Umgang der Russen mit den Deutschen in der Nachkriegszeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_50 |
Wer in Sibirien und Mittelasien lebte, weiß, dass in dieser Erzählung ein realistisches Bild über das Wetter in diesen von vielen Russlanddeutschen besiedelten Gegenden gegeben wird. Die sibirischen Winter sind nicht nur für ihre Kälte (manchmal bis -40 Grad) und ihre riesigen Schneeberge bekannt gewesen, sondern auch dafür, dass starker Wind immer auch mächtige Schneestürme verursacht hat. Es war auch nicht selten, dass Menschen sich in den Schneestürmen verirrt haben und ums Leben gekommen sind. Über einen solchen Fall berichtet die Erzählerin. Genauso realistisch beschreibt sie den Sommer in Sibirien, der etwas dem Sommer in der Ukraine ähnelt. Allerdings regnet es in Sibirien zu selten, auch wieder wegen des Windes: auch wenn eine Wolke da wäre, kommt der Wind und vertreibt sie, und dann ist wieder kein Regen. Sie schildert zum Schluss noch die Wetterverhältnisse in Mittelasien, das sie Süden nennt, wo sie schon gelebt hat. Dort ist es wiederum durch die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sehr ungemütlich: tagsüber Hitze und nachts Kälte. Es ändert sich allerdings auch in Bezug auf das Wetter alles, und ist nicht mehr immer so, konstatiert die Sprecherin zum Schluss. |
Wetter in Sibirien |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_51 |
Diese Erzählung gibt eine klare Vorstellung darüber, wie kompliziert und aufwendig der Prozess des „Wäsche-Waschens“ in der Vergangenheit in den russlanddeutschen Haushalten war. Die Frau macht das sehr deutlich am Beispiel der Vorhänge. Wenn die Stuben geweißelt wurden (getüncht), dann wurden auch die Vorhänge gewaschen. (In der Regel passierte das zweimal im Jahr, im Herbst und im Frühling.) Die Vorhänge wurden zweimal gewaschen, zweimal geschwenkt, gestärkt und gebläut, dann getrocknet und gebügelt – das waren die üblichen Schritte. Stärke wurde eigenhändig aus Kartoffeln im langwierigen komplizierten Prozess hergestellt. Trocknen musste vorsichtig durchgeführt werden – nicht zu sehr trocknen, so dass sie noch feucht sind, bevor gebügelt wird. Danach werden die Vorhänge wieder aufgehängt – auch die Stube ist dann schön und rein |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Wäsche waschen |
Erinnerung |
RUDI_E_00001_SE_52 |
Eines Abends ist die Erzählerin zu ihren Verwandten eingeladen gewesen, vorzulesen und Sonnenblumenkörner zu „fislen“ (knacken, d.h. die Kerne mit der Zunge von Schalen befreien). Das war zur damaligen Zeit in Russland sehr üblich, da es sehr viele Sonnenblumenkörner gab. Menschen – auch die Deutschen – pflegten, in ruhigen Abendstunden beisammen zu sein und Sonnenblumenkerne zu knacken. Die Sprecherin wurde von den Verwandten abgeholt und auch wieder heimgeführt. Und während dieser Zeit, als sie zu Besuch war, waren Wölfe bei ihrem Haus. Sie freute sich, dass sie noch eine Stunde länger geblieben ist, denn sie wollte schon früher nach Hause gehen, dann wäre sie mit Sicherheit auf die Wölfe getroffen. Sie haben in den Kamin am Dach oben reingeschnuppert und sie hätten auch in den Stall einbrechen können, weil ihr Haus keine guten Türen hatte. |
Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_01 |
Die Arbeitsverhältnisse und das Leben in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) während
des Krieges waren sehr schlecht. Nach dem Krieg ging es leichter, sie haben sogar einen
freien Tag bekommen. Aber vorher war es sehr schwer. Sie lebten in Baracken, und die
Sprecherin erzählt, wie es war, in einer ungeheizten Baracke und ohne ordentliche Betten
zu übernachten. Frauen haben sich beholfen wie sie konnten, z.B. haben sie sich nachts
von den Güterzügen lange Holzscheiten „geholt“ und in den Ofen in ihrer Baracke
gesteckt, so dass sie den Raum einigermaßen beheizen konnten. Die allgemeine Situation
in diesen Einrichtungen war sehr schlecht. In der Fabrik gab es viele Unfälle, und nicht
selten gab es schreckliche Fälle, dass Tote am Straßenrand lagen und man einfach
vorbeigehen musste. Alles ist dort passiert. |
Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_02 |
Die Sprecherin kann sich gut erinnern, dass, obwohl ihre Familie sehr arm war, sie immer etwas zu essen hatten, weil sie vieles selbst gemacht haben, wie z.B. Blut-, Leber- und Räucherwurst |
Essen |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Zeit in der Arbeitsarmee (russ.
Trudarmija). |
Lebensverhältnisse in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_04 |
Die Sprecherin erzählt, wie sie ihren Mann in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija)
besucht hat. Sie ist zwei Mal zu ihm nach Novosibirsk gefahren. Das erste Mal ging alles
gut. Beim zweiten Mal hatte die Sprecherin Schwierigkeiten sowohl während des
Aufenthalts dort als auch während der Rückreise. Besonders schlimm war die
Rückreise. Der Zug war sehr voll und es waren Schurken im Wagen. Die Sprecherin musste
sehr leiden. |
Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_05 |
Die Sprecherin erzählt, wie ihr Mann um ihre Hand gebeten hat. |
Hochzeit, Heiraten |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_06 |
Die Sprecherin erzählt wie sie ihren Mann kennen gelernt hat und wann sie geheiratet
haben. |
Heiraten |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_07 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem Garten. Sie und ihr Sohn sind umgezogen. Im neuen Haus ist alles besser, nur der Garten nicht. Im vorherigen Garten im alten Haus gab es
viel Ernte. Es hat sogar für die Kinder gereicht, denen die Sprecherin immer was gegeben
hat, als sie schon getrennt lebten. |
Garten |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_08 |
Die Sprecherin zählt auf welche Haustiere ihre Familie hatte als sie selbst klein
war. |
Haustiere |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_09 |
Die Sprecherin erzählt wo sie und ihre Familienmitglieder nach dem Krieg gearbeitet
haben. |
Familie ; Arbeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_10 |
Die Sprecherin erzählt, dass es während des Krieges in der Arbeitsarmee (russ.
Trudarmija) , wo sie war, sehr gefährlich war, weil viele „Schurken“ vorbeikamen und den
Leuten alles nehmen wollten. |
Lebensbedingungen während des Krieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_11 |
Die Sprecherin erzählt, wie sie und ihre Begleiterin vielen Wölfen begegnet sind und
wie sie versucht haben, diese Wölfe zu verjagen |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_12 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte, von einem Kind, das von Zigeunern noch aus
der Wiege gestohlen wurde und bei Zigeuner aufgewachsen ist. Nach 15 Jahren hat es seine
richtige Mutter gefunden und ein anderes ebenso von Zigeunern gestohlenes Mädchen
geheiratet hat. |
Zigeuner |
Geschichte |
RUDI_E_00002_SE_13 |
Mit Genugtuung stellt die Frau fest, dass sie eine zufriedene Baba Olja (Oma Olja)
ist. Sie hat keinen Grund, über ihre Kinder zu klagen. Sie wohnt bei einem ihrer Söhne
und ist nicht überflüssig, wie manche alten Leute. Sie könnte aber auch bei jedem ihrer
Kinder leben. Sie hat drei Schwiegersöhne und vier Schwiegertöchter, und sie hat sich
noch nie mit jemandem gestritten. Sie mischt sich auch nicht ein und lässt die Kinder
machen, was sie wollen. Die Enkelkinder lieben sie und kommen ihr entgegengesprungen,
wenn sie zu Besuch kommt. Sie hat also nichts zu klagen. Jetzt haben sie ein anderes
Haus gekauft und wohnen da, und es geht ihnen gut. |
Familie: Kinder, Enkel |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_14 |
Die Sprecherin erinnert sich wie sie sich als kleines Mädchen in Gefahr begab, weil
sie zu tief in den Brunnen hineinguckte und dort Gras rupfen wollte |
Kindheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_15 |
Alles, was die Leute ernteten, musste dem Staat (russ. Chasudarstwo) abgeliefert
werden. Damals gab es eine Obrigkeit wie auch heute. Die Sprecherin erinnert sich an das
Leben früher, als ihr Vater fort im Krieg war und die Mutter allein wirtschaften musste.
Es waren damals sehr arme Zeiten. Es gab einen Schulzen, und es gab eine gewisse
Disziplin, alles wurde irgendwie geregelt. Die Sprecherin berichtet über einen Fall, der
von ihrer Mutter öfter erzählt wurde, als sie Geld einzahlen musste. Die Sprecherin
erzählt, dass die Mutter es sehr schwer hatte, da sie in Abwesenheit ihres Mannes alle
landwirtschaftlichen und sonstigen Arbeiten entrichten musste, die gewöhnlich vom
Hauswirt gemacht wurden. Sie musste für die Kinder sorgen. Es waren arme Zeiten, es gab
kein Licht, und die Frauen sammelten sich der Reihe nach in Privathäusern, um
Handarbeiten zu erfüllen, sie haben gesessen und gestrickt, da es ja auch nichts zu
kaufen gab. |
Lebensbedingungen während des Ersten Weltkrieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_16 |
Die Sprecherin erinnert sich, wie sie und ihre beiden Geschwister als Kinder im
Haushalt mitgeholfen haben. In der Zeit vor der Kolchose hat noch jeder für sich
gewirtschaftet, und es gab immer viel Arbeit. Besonders zur Erntezeit haben sie die
Mutter bei der Arbeit unterstützt. Die Sprecherin erzählt über das Ernten der
verschiedenen Sorten von Erbsen und Bohnen, die in ihrem Garten gewachsen sind. Sie
haben bei der Kartoffelernte geholfen, Kartoffeln ausgegraben, einsortiert und in den
Keller geschafft. Die Mutter hat den Kindern erklärt, was sie machen sollen, während sie
auf der Steppe war, um Heu zu mähen. Im Winter haben die Kinder geholfen, Wolle zum
Stricken vorzubereiten. Die Frau erinnert sich, dass sie das alles gerne gemacht haben
und dass die Mutter die Hilfe der Kinder auch gespürt hat, da sie einen guten Teil der
Arbeit übernommen haben. |
Erne ; Garten ; Hausarbeit ; Mama helfen |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_17 |
Die Sprecherin erinnert sich an ein Jahr, als die gesamte Ernte abgebrannt ist. Das
gesamte Getreide wurde gemäht und vom Feld weggeschafft, mit der Absicht, nachher zu
dreschen. Es wurde geschobert, so dass die Ähren nach unten lagen, damit der Regen
ablaufen kann. Und es passierte, als das kleine Traktorlein, genannt „Pufferle“, ganz
nah neben dem Schober stand. Als sich Feuerfunken bildeten, wurden sie durch den Wind
auf den Schober geblasen und der Schober ist angebrannt. So wurde das gesamte Getreide
vom Feuer vernichtet, so dass es ganz schwarz da lag. |
Landwirtschaftliche Arbeiten: Erntebrand |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_18 |
Diese Erzählung behandelt eine Situation in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) zu
einem bestimmten Zeitpunkt in der Erinnerung der Frau. Man konnte sich überhaupt nicht
mehr außerhalb der Baracke aufhalten, um sich nach der Arbeitsschicht draußen ein
bisschen hinzusetzen und zu erholen. Es war gefährlich wegen der vielen Schurken in dem
Ort, die auch in die Baracken eindrangen. Und als es unerträglich wurde, hat man ihnen
einen „Frontowik“ aus Moskau geschickt, den die Frauen als ihr Glück und ihre Rettung
empfunden haben. Es handelte sich um einen starken, gut ausgerüsteten Mann, der an der
Front (im Krieg) gewesen ist und von der Regierung hierher zur Unterstützung geschickt
wurde. Mit gewisser Genugtuung erklärt die Sprecherin daher auch, wie der zu ihnen
geschickte Mann die Baracken von den Schurken geräumt hat, wie erfolgreich er gehandelt
hat und wie die Schurken ihm nichts antun konnten. Nach diesem Befreiungskampf ist dann
Ruhe eingetreten und die Frauen konnten sich wieder nach draußen trauen und sich
manchmal im Freien aufhalten. |
Lebensverhältnisse in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_19 |
In dieser Erzählung erklärt die Sprecherin, was ein „Walzstein“ ist, mit dem früher
gedroschen wurde. Anschaulich und detailliert geht sie auf das Aussehen und die Funktion
dieses Walzsteins ein. An den Walzstein kann sich die Frau noch sehr gut erinnern, wie
er aussah. Zur damaligen Zeit hatte jede Familie im Dorf gewöhnlich eine eigene
Haspelmachine, einen Pflug, einen Wagen, eine Tenne und eben auch einen eigenen
Walzstein. Und damit wurde dann gedroschen. Jede Sorte des Korns hatte ein eigenes Fach,
so wurde nach der Ernte alles schön weggeräumt, in das Weizen-, Hirse- oder Gerstenfach.
Die Erzählung macht deutlich, wie kompliziert und aufwendig diese landwirtschaftlichen
Arbeiten waren. Wie die Sprecherin sagt, ist damals alles so gedroschen worden, nicht
so, „als wenn man es durch die Maschine lässt“. |
Landwirtschaftliche Arbeiten: Walzstein |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_20 |
Als sie mit ihrer Familie in die Ukraine umgezogen sind, da gab es schon
Dreschmaschinen und auch eine Maschine, mit der die Frucht gebunden werden konnte. Das
war dann alles schon leichter. Aber wenn die Garben von Hand gebunden werden mussten,
das war eine sehr schwere Arbeit. Die Sprecherin erläutert den Prozess des
Garbenbindens. Es war eine sehr schwierige Arbeit. Man hat zwei Wische genommen und die
Ähren übereinander gelegt und sich dann mit Knien drauf gestellt, und unten am Schnitt
wieder aufeinander gelegt, und dann zusammengesteckt, und die Garbe war fertig. An
manchen Tagen mussten sie bis zu hundert Garben binden. |
Landwirtschaftliche Arbeiten: Garben binden |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_21 |
Die Sprecherin erzählt über ihr Heimatdorf. Das war ein ganz kleines Dorf, eine Art
Neusiedlung, in der nicht einmal ein Geschäft vorhanden war. Der Platz hat der
Sprecherin sehr gut gefallen. Das Dorf befand sich mehr oder weniger zwischen zwei
„Oser“ (Binnenseen). Das Vieh hatte es dort sehr gut, es gab genug zu trinken und von
Strohfutter hat man da überhaupt nichts gewusst. Vom See wurde das Wasser direkt auf die
Gemüsegärten geführt, das Gemüse wuchs dort alles sehr gut. Reiche gab es dort keine, es
waren alles so „mittelmäßige“ Bauern, aber es gab genug Essen und auch Kleidung. Die
Menschen haben die landwirtschaftlichen Arbeiten nach Möglichkeit alle zusammen mit
Nachbarn oder Verwandten ausgeführt. |
Lebensbedingungen vor dem Krieg |
Erzählung |
RUDI_E_00002_SE_22 |
Die Mutter der Sprecherin hat gerne gebacken, und so gab es öfters verschiedene
Kuchen. Die Sprecherin zählt die Gerichte auf, die noch zu Hause in der Ukraine häufig
gekocht wurden: Gegangene (mit Hefe) und ungegangene Strudel, Knepfel (kleine Klöße) und
Kartoffeln, Kartoffeln im Ofen gebacken oder Kartoffeln gebraten, Kraut gedämpft mit
Kartoffeln und Nudelsuppe. Sie bezeichnet diese Gerichte als „einfache“ Kost und
„Kolchose-Kost“. Auf die Frage, wie Hühner ausgefüllt wurden, bringt die Sprecherin
zuerst einen Scherz, der unter den Hausfrauen damals geläufig war, mit Anspielung auf
die Menge der Arbeit beim Ausfüllen der Hühner. Sie erzählt dann mit hoher Präzision und
sehr anschaulich über dieses Gericht, so dass es auch nachgekocht werden kann. Geflügel
wurde in dem deutschen Dorf natürlich auch selbst gezüchtet, die Familie hatte auch eine
sehr günstige Position ihres Hauses zum Geflügelzüchten. |
Essen ; Gerichte |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_23 |
Nach den Jahren der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) ist diese Sprecherin mit ihrem
Mann zurückgekehrt in den Altai, in ein kleines Dorf, das sie Altai-Nest nennt. In der
giftigen Gießerei durfte er nicht mehr arbeiten, und so haben sie sich ein kleines Haus
in diesem Dorf gekauft. Es war sehr schwer, in diesem Ort zu leben. Sie hätten ein
bisschen Geld gehabt, aber es gab nichts im Geschäft zu kaufen, nicht einmal Brot. Alles
musste man selber kochen und backen. Wenn sie in der früheren Gegend hätten bleiben
können, dann hätten sie dort auch eine Wohnung bekommen, aber der Mann durfte dort nicht
mehr arbeiten, weil er krank war. Das Häuschen, das sie gekauft hatten, bedurfte einer
umfangreichen Renovierung, und die Sprecherin berichtet ausführlich und anschaulich, wie
schwer sie arbeiten musste, um dieses Haus einigermaßen in Ordnung zu bringen. |
Schwere Lebensbedingungen in der Nachkriegszeit ; Arbeit ; Haus |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_24 |
Die Sprecherin erzählt wie ihre Oma gestorben ist. |
Verwandtschaft ; Sterben |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_25 |
In der Ukraine gab es immer sehr gute Ernten, da gutes Wetter war und immer alles
gut gewachsen ist. Die Sprecherin erinnert sich, dass in einem Jahr alle Pferde verreckt
waren und die Ernte musste mit den Kühen der Leute eingebracht werden. Sowohl gemäht als
auch geschobert wurde mit den Kühen. Dann wurde ein Traktor geliefert und die
Haspelmaschine an den Traktor angehängt. Es gab Schwierigkeiten, diese gute Ernte
einzubringen. Die Sprecherin erklärt, wie man dann vorgegangen ist, um die Ernte doch
noch ohne Verluste einzubringen. Und in einem anderen Jahr hat es so viel geregnet, dass
das Getreide aufgrund der Schwere der Ähren sich herunter geneigt hat („gelegt“). Dann
gab es auch Schwierigkeiten mit der Ernteeinbringung. |
Landwirtschaftliche Arbeiten: Ernte einbringen |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_26 |
Man wundert sich manchmal, dass einem der Arm weh tut, sagt die Sprecherin. Das ist
aber die Folge der schweren Handarbeit, die sie in der Ukraine machen mussten, wenn die
Ernte eingebracht wurde. Vor der Zeit der Traktoren wurde alles noch von Hand
gearbeitet, es gab die landwirtschaftlichen Maschinen noch nicht, die die Arbeit
erleichtern hätten können. Sonnenblumen und Mais wurden geschnitten und in den Wagen
hinauf geladen, alles von Hand. Getreide musste von Hand zu Garben gebunden werden. Die
Sprecherin erläutert ausführlich und anschaulich den Prozess des Garbenbindens. Und wie
aufwendig und mühselig es war, nachts bei Dunkelheit mit Kühen zu schobern, wird aus der
Erzählung sehr deutlich. Diese Ereignisse gehören alle noch in die „maschinenlose“ Zeit.
Das erste Auto (russ. Maschina „Auto“) hat die Sprecherin auch in der Ukraine gesehen,
darüber berichtet sie am Ende der Erzählung. |
Landwirtschaftliche Arbeiten ; Das erste Auto |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_27 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem Mann und seiner Familie |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_28 |
Das Huhn darf man nicht zu sehr aufschneiden, wenn man es ausfüllen will. Dann
werden die Innereien vorbereitet, fein zerschnitten und zusammen mit Zwiebeln und etwas
Brotkrümeln angebraten. Dann wird ein Teigchen angerührt, aus Mehl, Schmand, Milch,
Eiern, Pfeffer, Salz und Backsoda. Das Teigchen darf nicht zu dick werden, sondern dünn
wie für Pfannkuchen, nicht dick wie für Löffelküchel. Das Teigchen kommt in die Pfanne
mit den Innereien und dem Brot. Alles wird verrührt und in das Huhn gefüllt. Das
schmeckt sehr gut und gibt auch eine sehr gute Suppe, besonders Nudelsuppe. |
Essen ; Gerichte |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_29 |
Früher war es viel schöner auf den Hochzeiten, erzählt die Sprecherin. Vor allem war
die Braut viel besser geschmückt, sie hatte einen großen selbstgemachten Kranz mit einem
Schleier an. Es hat der Frau besser gefallen als gegenwärtig. Nachdem die Braut
„ausgefreit“ war (um die Braut geworben wurde), wurde die Hochzeit vorbereitet. Es wurde
geschlachtet, vorgebacken und vorgekocht. Verschiedene Sorten von Kuchen wurden gebacken
– Schottelkuchen, Ribbelkuchen, Zuckerkuchen, Süßbrötchen. Das Fleisch wurde zerkleinert
und für Frikadellen und Piroggen vorbereitet. In der Nacht vor der Hochzeit haben die
Köche früh angefangen, Nudelsuppe, Pilaw und andere Gerichte zu kochen. Die Sprecherin
berichtet ausführlich über den Verlauf der Hochzeit (Ausfreien, Einladung, Brautbuben
und ‑mädchen, Freiersmänner, Schuhstehlen, Musik, Tanzen, Essen und Trinken, Schenken,
Abkränzung, Pläsir) und vergleicht die Hochzeiten früher und heute. Früher hat es ihr
besser gefallen, stellt sie fest. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_30 |
In dieser Erzählung beschreibt die Sprecherin die Ereignisse des schrecklichen
Jahres 1921, als die große Hungersnot stattgefunden hat und sehr viele Menschen
verhungert sind. Damals hatte man den Leuten alles weggenommen, daher ist diese
schreckliche Not eingetreten. Aber ihre Familie konnte sich retten, da sie Fleisch bei
den Kirgisen einhandeln konnten. Die Kirgisen haben dazu beigetragen, dass die
Sprecherin damals nicht vor Hunger gestorben ist. Zum Glück war ihr Vater schon zurück
aus dem Krieg und er hat dann so gut er konnte sich um die Familie gekümmert und
gesorgt, dass sie am Leben geblieben sind. Eingehandelt haben sie Fleisch aller Sorten,
auch häufig Pferdefleisch. Die Sprecherin und ihre Mutter haben aber das viele Fleisch
nicht ertragen, denn sie hatten überhaupt kein Mehl und Brot, und haben nur Fleisch
gegessen, und daher hatten sie die Hungersnot kaum überstanden. Dadurch, dass sie und
die Mutter das viele Fleisch nicht vertragen haben, mussten sie auch Salzkrautküchel
essen. Milch gab es auch keine. Als sie dann den Menschen etwas Saat gegeben hatten,
konnten sie säen und es gab wieder Ernte und etwas zu essen. |
Lebensbedingungen im Jahr 1921 |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_31 |
In diesem Abschnitt beantwortet die Sprecherin die Frage, ob es in der Kolchose
(Kollektivwirtschaft) besser war als in der privaten Wirtschaft vorher („in den armen
Jahren“). Interessant ist die Antwort deswegen, weil sie implizit die Information gibt,
dass man in der Kolchose die Leute nicht hat „gehen lassen“, d.h. ihnen nicht erlaubt
hat, nach eigenem Wissen zu handeln und zu entscheiden. Es ist eine historische
Tatsache, dass die Kolchosmitglieder keine Entscheidungskraft hatten, sondern sich dem
Willen der Kolchosleiter beugen mussten. Einer armen Witwe mit fünf Kindern ist
allerdings nichts anderes übrig geblieben, als bei den „Kulaken“ arbeiten zu gehen, d.h.
in dieser Hinsicht war die Kolchose dann natürlich eine bessere Variante, meint die
Sprecherin. |
Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_32 |
Deutsche in Russland hatten nicht nur mit Russen Kontakte, sondern oft auch mit
anderen benachbarten Völkern in dem multinationalen Staat Sowjetunion. In dem Geburtsort
der Sprecherin gab es häufig Kontakte mit Kirgisen, die in den umliegenden Steppen
wohnten. Die Kirgisen hatten damals einen völlig anderen Lebensstil als die Deutschen in
Russland und die Sprecherin erzählt über die aus ihrer Sicht besonderen Merkmale dieses
Lebensstils. Sie bewundert, wie die Kirgisen gewohnt und gekocht haben und fasst
zusammen, das wäre genauso gewesen wie bei den „Wilden“. Die haben weder von Häusern was
gewusst noch von Schule, die hatten kein echtes Brot und sie waren immer unterwegs. Die
Frauen saßen mit dem gesamten Hab und Gut auf den Kamelen, zusammen mit den Kindern, und
die Männer liefen nebendran und leiteten die Kamele. Ein Erlebnis für sie als Kind waren
damals die vielen Kamele, die entlang ihres Dorfes lagen und sich ausruhten, während die
Inhaber geschäftlich zu tun hatten. Als Kinder pflegten sie die Kamele zu zählen. |
Lebensweise der Kirgisen im Geburtsort der Sprecherin |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_33 |
In der Zeit, in der alle Männer verschleppt wurden und das Dorf wie leergefegt war,
mussten die Kinder arbeiten. Manchmal waren es nicht einmal Erstklässler, die wegen der
großen Not für 100 Gramm Brot arbeiten mussten – Ähren lesen, Gras rupfen oder Frucht
grasen. Hungrig und halb erfroren standen die Kinder dann vor der Vorratskammer und
warteten auf ein bisschen Brot, so eine schwere Zeit war das. Und all das durch die
schrecklichen Ereignisse des Jahres 1938. Nur Kinder und alte Frauen sind im Dorf
geblieben. Die Sprecherin verdeutlicht, wie sie mit der Haspelmaschine gearbeitet hat,
mit Hilfe von Kindern, die sie auf bestimmte Weise angelernt hatte, damit es überhaupt
möglich war, irgendwie voranzukommen. Nach einem solchen Arbeitstag war sie schrecklich
müde, die Arbeit mit den Kindern hat ihr die ganze Kraft geraubt. |
Familie ; Kinderarbeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_34 |
Die Sprecherin des südfränkischen Dialekts erinnert sich an ihre Kindheitsjahre.
Zuerst lebten sie in einem kleinen Dorf in der Kustanai-Gegend, wo sie auch geboren
wurde. Danach zogen sie in die Ukraine. Der Vater musste in den Krieg als sie noch nicht
geboren war, und kam erst zurück, als sie schon sieben Jahre alt war. Sie hat der Mutter
immer im Haushalt geholfen, so wie auch ihre Geschwister. In der Ukraine hat es ihr gut
gefallen. Das war um 1930 herum. Alle haben in der Kolchose gearbeitet und hatten ihr
bescheidenes, aber einigermaßen ausreichendes Einkommen gehabt. In der Ukraine wächst ja
alles und es war sehr schön dort. Aber dann wollte der Vater in den Altai ziehen. Die
ganze Familie wollte nicht, alle haben geweint, aber es hat nichts geholfen. Und im
Altai war das Leben sehr schwer, es gab viele arme Menschen und viele Familien, die
überhaupt nichts zum Essen hatten. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_35 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einem Kind, das von seiner Mutter
weggegeben wurde. |
Familie ; Verbrechen |
Geschichte |
RUDI_E_00002_SE_36 |
Nach dem Umzug war die Familie der Sprecherin hier, in diesem Dorf, in ein kleines
Haus eingezogen. Das war ein erbärmliches, sehr verkommenes Haus, in das sie sehr viel
Arbeit reingesteckt hat. Dann haben sie sich ein anderes Haus gebaut, in dem sie auch
die ganzen Jahre gelebt haben. Der Nachteil war allerdings, dass dieses Haus direkt an
der Chaussee am Dorfende lag und sie eigentlich keine Ruhe hatten. Sie haben darin
trotzdem sehr lange gewohnt. Und dann haben sie sich vor zwei Jahren ein anderes Haus
direkt mitten im Dorf gekauft, und man spürt an der Stimme der Sprecherin, dass sie
damit jetzt sehr zufrieden sind. Sie erläutert ausführlich, welche Vorteile dieses neue
Haus gegenüber dem alten Haus hat. |
Haus ; Nachbarn ; Hausbau |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_37 |
Die Sprecherin erzählt von dem Pferd ihres Sohnes. |
Pferd |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_38 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Kindheit: ihre Mama hat ein Mädchen eingestellt,
damit es auf das Kind aufpasst. Sie hat aber das Kind geschlagen und die Mutter der
Sprecherin hat dann dieses Mädchen fortgejagt. Seitdem hat der ältere Bruder auf das
Kind aufgepasst. |
Kindheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_39 |
Die Sprecherin erzählt ein Märchen von einer verhexten Ratte |
Märchen |
Märchen |
RUDI_E_00002_SE_40 |
Auf die Frage, ob die Leute sich früher einig waren, sagt die Erzählerin, dass die
Leute sich besonders in den schweren, schlechten Jahren vor dem Krieg, während der
Regierung von Stalin, einig gewesen waren. Es waren sehr schwere Zeiten. Sie persönlich
und ihre Familie hatten es am besten, als sie noch in der Ukraine waren, dort gab es
doch eine recht gute Versorgung mit Lebensmitteln, da dort alles wuchs. Aber als sie in
das sibirische Dorf kamen, dann war es schrecklich gewesen, als ob man den Menschen das
Essen abgewöhnen wollte. Hat man einen mit einer Tasche voll Weizen entdeckt, dann kam
er ins Gefängnis. |
Lebensbedingungen vor dem Krieg |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_41 |
Die Sprecherin erzählt, wie sie als zweijähriges Kind in die Steppe gelaufen ist und
dort sich zum Schlafen hingelegt hat. Die Kirgisen haben sie gefunden und zurück ins
Dorf gebracht. |
Kindheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_42 |
Die Sprecherin erzählt, dass es früher in Sibirien im Winter gewaltige Schneestürme
gab, die bis vierzehn Tage lang andauerten, so dass man nicht aus dem Haus rausgehen
konnte. Die Leute mussten sich nach einander aus den Häusern vom Schnee „ausgraben“
helfen, oder sie haben sich am Dach oben aus den Häusern geschafft. Manchmal waren die
Kamine vom Schnee bedeckt, so dass die auch ausgegraben werden mussten, damit geheizt
werden konnte. Die Sprecherin schildert, wie Menschen in dieser Situation auch erfroren
sind. Es war sehr gefährlich, bei diesem Sturmwetter unterwegs zu sein. Und wenn jemand
herausgegangen ist, um Futter für das Vieh oder Wasser zu holen, dann wurde er mit einem
Strick gesichert, der Strick wurde von jemandem drinnen gehalten, damit der Mensch sich
draußen nicht verirrt, wenn er die Sicht verliert. Am Beispiel des Bruders schildert die
Frau einen konkreten Fall, der sich während eines Schneesturms ereignete. |
Wetter in Sibirien |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_43 |
Eines Tages wurde die Erzählerin aufgefordert, den Traktor anzunehmen und als
Traktoristin zu arbeiten. Sie hat bereits ein Jahr in der Kolchose gearbeitet, mit
anderen Arbeiten. Es war in der Kriegszeit, und der bisherige Mann, der Traktorführer
war, wurde in die Armee eingezogen. Sie hat sich gewehrt, aber das hat nichts geholfen,
sie musste den Traktor annehmen, da sie ja vier Jahre in Traktoristenkursen ausgebildet
wurde. Die Chefs der Kolchose sind angereist und haben sie aufgefordert, ansonsten wäre
sie ins Gefängnis gekommen. Sie musste den Traktor annehmen. Und nach einigen Tagen
hatte der Jugendliche, der ihr als Gehilfe gegeben wurde, den Motor zerschlagen, so dass
die Stücke herumgeflogen sind. |
Traktor |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_44 |
Die Sprecherin zählt auf, wer aus ihrer Familie in die Arbeitsarmee (russ.
Trudarmija) musste. Nur die Oma mit kleinen Kindern ist da geblieben. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_45 |
In den Kriegsjahren hatte die Sprecherin als Traktoristin gearbeitet. Sie musste
Traktoristenkurse im benachbarten Ort absolvieren und ein Examen bestehen, obwohl sie
sich zunächst gesträubt hat, diesen Beruf zu ergreifen. Aber sie hatte keine Alternative
und konnte sich nicht wehren. Dann wurden ihr die Traktoren anvertraut. Arbeiten musste
sie mit Anhängern, die von Kindern von zwölf bis dreizehn Jahren bedient wurden. Es war
sehr schwer, mit Kindern zu arbeiten. Man hat sich gequält, aber es war doch leichter
als alleine. Es gab nicht ausreichend Arbeitskräfte, besonders nach dem Jahr 1938, als
alle Männer im Dorf verhaftet wurden – im Zuge der Stalinschen Säuberungen – dann gab es
so gut wie keine Leute, die als Traktoristen arbeiten konnten. Und so hatte sie gesagt
bekommen, jetzt würden alle Traktoren ihr gehören, sie muss mit den Traktoren
arbeiten. |
Traktoristenkurse |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_46 |
Die Sprecherin erzählt, dass sie vor der Alternative stand: entweder sie nimmt die
Brigade – als Brigadeleiterin an – oder sie muss in die Arbeitsarmee (russ. Trudarmija).
Sie hat sich entschieden, in die Arbeitsarmee zu gehen. Die Arbeit als Traktoristin bzw.
Brigadeleiterin wollte sie nicht übernehmen, weil das bedeutet hätte, nur mit Kindern
und alten Frauen zu arbeiten. Da wäre sie verloren und hätte gleich im ersten Jahr ins
Gefängnis gehen müssen. Die Mutter der Sprecherin ist allein zurückgeblieben, mit den
kleinen Kindern. Die Sprecherin hat noch heute das Bild der Verabschiedung vor Augen. Es
wurden mehrere Frauen von diesem Ort in die Arbeitsarmee geschickt, und viele weinende
Kinder sind zurückgeblieben. Sie kamen in eine Fabrik im Ural, und haben zunächst in der
Formerei gearbeitet. |
Abschied vor der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_47 |
Obwohl schon sehr viel Zeit vergangen ist, erinnert sich die Frau noch sehr genau
daran, welche Bedingungen es in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) gab. Sie sagt, dass
sie und die anderen mit ihr noch in guter Verfassung waren, da sie nicht sehr hungern
mussten, es hätte ja besser sein können und hätte auch mehr Essen vorhanden sein müssen,
aber es ist gegangen, es hat einigermaßen gereicht. Anders als bei den Menschen, deren
Arbeitsarmee-Ort weiter weg im Wald war. Sie erzählt, dass es bei ihnen auch immer ein
Mittagsessen gab, und das Brot, das sie auf Ration bekommen haben, hatte man sich für
den Tag einteilen können. Es war zwar alles teuer zu kaufen, aber sie konnten einiges
kaufen für das Geld, das sie in der Fabrik verdient hatten. Sie nennt genau die
überhöhten Preise für die Lebensmittel auf dem Markt und im Geschäft. Was die Arbeit
betrifft, so erzählt sie, dass sie nicht raus durften aus der Fabrik, bis sie nicht ihre
tägliche Norm – fünfhundert Wagenräder – draußen gehabt hatten aus der Werkhalle. |
Schwere Lebensbedingungen während des Krieges ; Arbeit ; Lebensmittel |
Erzählung |
RUDI_E_00002_SE_48 |
Die Erzählerin ist in der Kustanai-Region geboren, wanderte dann mit der Familie in
die Ukraine aus und schließlich dann in den 1930er-Jahren nach Sibirien. In dieser
Erzählung beschreibt die Sprecherin das Dorf in der Ukraine. Es war eine Neusiedlung.
Vor allem betont sie, dass dort alles gewachsen ist, da die Ukraine eine sehr fruchtbare
Gegend war (insbesondere natürlich im Vergleich zu der späteren Wohngegend der
Sprecherin in Sibirien). Sie beschreibt die verschiedenen Melonensorten und Gemüsetypen,
die Disposition des Dorfes, den Reichtum an Wasser und sonstige Vorteile. Sie erinnert
sich noch gut, obwohl sie zur damaligen Zeit noch ein Mädchen war. Wenn man durch den
eigenen Garten gegangen ist, war man schon satt und brauchte kein gekochtes
Essen. |
Leben in einem ukrainischen Dorf vor dem zweiten Weltkrieg |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_49 |
Die Sprecherin erzählt, dass das ganze Dorf, wo sie gewohnt hat, ihre Verwandtschaft
war. Sie haben alle sehr zusammengehalten und halfen einander. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_50 |
Humorvoll erinnert sich die Frau an einen Vorfall in der Baracke – wahrscheinlich
deswegen mit Humor, weil diesmal noch alles gut für sie und die Frauen in ihrem eigenen
Zimmer ausgegangen ist. Es handelt sich um ein Ereignis in der Arbeitsarmee (russ.
Trudarmija), als eine ganze Gruppe von „Schlechten“ in die Baracke kam, mit dem
Vorhaben, mitzunehmen, was sie vorfinden. Da die Erzählerin verschiedene
Lebensmittelkarten und etwas Geld in der Tasche ihres Kittels hatte, musste sie einen
Trick anwenden, damit die Schurken es nicht entdeckt und ihr weggenommen hätten. Aber es
wurde doch vieles mitgenommen, und am nächsten Morgen konnten einige Frauen aus der
Baracke nicht zur Arbeit in die Fabrik gehen, weil sie nichts anzuziehen hatten. Es
musste ihnen erst etwas Kleidung gebracht werden, damit sie die Baracke verlassen und
zur Arbeit gehen konnten. |
Lebensverhältnisse in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_51 |
In dieser Erzählung geht es um Vorfälle mit Wölfen. Einmal musste die Sprecherin
einen Vorgesetzten mit der Fuhre in das benachbarte Dorf fahren und auf dem Rückweg ist
ihr ein Wolf begegnet. Sie erzählt, wie sie sich anstrengen musste, den Wolf zu
verjagen. Pferde waren durch die Wölfe sehr gefährdet, die Kühe dagegen weniger, sagt
die Frau. Schafe und Kälber waren auch gefährdet. Sie hatten einmal ein junges Hündchen,
das sich eines Morgens nach draußen getraut hat und sofort von einem Wolf erwischt
wurde, der sich gerade hinter dem Tor aufgehalten hat. Solche Fälle waren nicht selten.
Und die Wölfe sind auch oft in die Ställe hinein gekommen, in denen das Vieh stand.
Besonders Schafe waren das Ziel ihrer Überfälle. |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00002_SE_52 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einer Frau, die ein Baby im Wald gefunden
hat und es als ihren eigenen Sohn großgezogen hat. |
Familie ; Gerechtigkeit |
Geschichte |
RUDI_E_00002_SE_53 |
Im Sturmwetter sind früher nicht nur Leute erfroren, sondern Menschen wurden auch
von Wölfen angegriffen. Es gab sehr viele Wölfe früher. Es war nicht nur für Tiere, auch
für Menschen und besonders Kinder gefährlich. Man hat sich nicht mehr getraut
rauszugehen wegen den Wölfen. Es gab verschiedene Vorfälle in Nachbardörfern, erzählt
die Sprecherin. Sie hat oft Wölfe gesehen und musste sich auch wehren vor ihnen und sie
vertreiben. Von den Tieren waren besonders die Schafe durch Wölfe gefährdet. |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_01 |
Wie alle russlanddeutschen Frauen im bestimmten Alter, so musste auch die Mutter der
Sprecherin kurz nach der Deportation in die Arbeitsarmee (russ. Trudarmija). Sie wurde
eingezogen aus dem Ort, in den sie aus der wolgadeutschen Heimatsiedlung deportiert war.
Sie kam in eine sehr schlechte Arbeitseinheit, in eine nicht mehr gewinnbringende Grube,
in der es sehr wenig zu essen und keine angemessene Kleidung gab. Mit Gummistiefeln ohne
Strümpfe den ganzen Tag im Wasser in der Grube arbeiten, das war der
Arbeitsarmee-Alltag. Und das Essen war so knapp, gerade dass die Menschen nicht
gestorben sind vor Hunger. Zum Glück konnte sie später die Grube wechseln. Und als der
Krieg zu Ende war, dann ging es schon besser. Die Gesamtlage hatte sich etwas
verbessert, und die Mutter konnte dann im Jahr 1950 die Arbeitsarmee verlassen und in
das sibirische Dorf ziehen, wo die Sprecherin jetzt wohnt. Dort haben die Eltern ein
Häuschen und eine Kuh gekauft. |
Lebensbedingungen nach der Deportation ; Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_02 |
Die Sprecherin erzählt was sie heute zum Abendbrot kochen wird. |
Essen: Abendessen |
Mitteilung |
RUDI_E_00003_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt, in wievielen Berufen sie in ihrem Leben schon arbeiten
musste, um die Familie (ihre kleinen Kinder) zu ernähren. |
Familie ; Arbeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_04 |
Die Sprecherin erzählt einiges aus ihrer Biographie. Sie spricht vor allem über ihre
Ausbildung und ihre Arbeitsstellen. |
Schule ; Arbeit ; Beruf ; Kinder |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_05 |
Die Sprecherin redet über die finanzielle Situation ihrer Familie und einiger
anderer Dorfbewohner, die im Vergleich zur Familie der Sprecherin kein Vieh
halten. |
Dorf Pobotschino ; Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Vieh ; Geld verdienen |
Überlegungen |
RUDI_E_00003_SE_06 |
Die Sprecherin spricht von ihrem Heimatdorf. Sie erzählt, wann und wie das Dorf
gegründet wurde, und wie ihre Großeltern und ihre Eltern dort gelebt haben (was sie z.B.
gearbeitet, welches Vieh sie gehalten und was sie gepflanzt haben). |
Heimatort: Dorf Pobotschino ; Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Arbeiten ; Vieh ; Pflanzen ; Hochwasser |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_07 |
Die Sprecherin erzählt wie sie ihren Mann kennen gelernt hat. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_08 |
Die Sprecherin erinnert sich daran, dass sie als Kind sehr gern in die
Kindertageseinrichtung gegangen ist. Sie war auch viel im Dorf unterwegs und kannte das
Dorf „ von einem Ende bis ans andere“. |
Kindheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_09 |
Die Sprecherin erzählt von zwei Sprachforscherinnen, die in das Heimatdorf der
Sprecherin gekommen sind, um die Sprache der Russlanddeutschen zu untersuchen. |
Sprachforschung |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_10 |
Die Sprecherin beschreibt ihren Tagesablauf. |
Alltag ; Tagesablauf ; Haushalt ; Arbeit ; Kinder |
Beschreibung |
RUDI_E_00003_SE_11 |
Die Sprecherin erzählt Biographisches von ihrer Mutter und deren Brüdern. |
Familie ; Krankheiten ; Essen ; Hunger ; Obstgarten |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_12 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Familie. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_13 |
Die Sprecherin erzählt von ihren Verwandten, die in Taschkent wohnen. Sie vergleicht
den Alltag und die Lebensbedingungen, die sie dort beobachtet hat, mit denen in ihrem
Dorf. |
Lebensbedingungen der Russlanddeutschen in Taschkent |
Mitteilung |
RUDI_E_00003_SE_14 |
Zu diesem Zeitpunkt hatten noch wenige im Dorf ein Auto, aber die Sprecherin teilt
mit, dass sie ein „altes Maschinchen“ (Autochen) besitzen. Sie erzählt, wie sie das Geld
zusammenbekommen haben, um sich dieses Autochen kaufen zu können. Der Mann muss viel
daran reparieren, da das Auto schon alt ist. Es wäre gut, wenn man die alte Maschine
abgeben könnte, und dafür etwas Geld bekommen würde, dann noch etwas Geld dazulegen und
ein neues Auto kaufen. Weil sie zurzeit keine Möglichkeit haben, ein neues Auto zu
kaufen. Die Kinder sind groß, und es ist ja bekannt, wenn die Kinder groß sind, dann
muss man sie kleiden. So reicht das Geld nicht aus. Aber wenn das so wäre, mit dem
„Zustoßen“, dann könnten sie vielleicht doch noch etwas Geld finden und ein neues Auto
kaufen, damit ihres Mannes Herz in Ruhe wäre, sagt die Erzählerin. |
Auto |
Erzählung |
RUDI_E_00003_SE_15 |
In ihrem Dorf gäbe es viele Menschen mit dem gleichen Familienamen. So zum Beispiel
hätten fünfundzwanzig Prozent aller Einwohner den Namen Schneider. Nun, es wäre gar
nicht möglich gewesen, sie zu unterscheiden, und das führte dazu, dass jeder Mensch noch
seinen Beinamen bekommen hatte, damit man die Menschen mit den gleichen Familiennamen,
Vornamen und auch der Vatersnamen unterscheiden kann. Die Sprecherin bringt mehrere
Beispiele der Beinamen und erklärt ausführlich, wieso und warum es zu diesen Beinamen
gekommen ist. Sie kommt zum Schluss, dass die Menschen im Dorf gar nicht beleidigt sein
dürfen, weil es anders gar nicht ginge und weil es bei ihnen im Dorf so eingerichtet
ist. |
Leben im Dorf |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_16 |
Im Dorf der Sprecherin gab es früher keine Matratzen, sondern Strohsäcke. Gewöhnlich
wurden sie im Herbst mit frischem Stroh gefüllt. Und auf diesen Strohsäcken wurde dann
geschlafen. Es gab auch Aufbreitsbetttücher, die über diese Matratzen gelegt wurden.
Dann gab es auch im Herbst die weitverbreitete Praxis, auch in anderen deutschen
Dörfern, dass grüne Tomaten in die Strohsäcke gelegt wurden, damit sie schneller
reiften. Jeder hatte sich ein paar Tomaten in den Strohsack gelegt. Die Sprecherin
schließt diese kleine Erzählung mit dem Schluss, dass es zwar schwere Zeiten waren, aber
auch in dieser schweren Zeit gab es „sein Schönes“. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Bettsachen |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_17 |
In dieser Erzählung erfährt man über die Deportation der Eltern der Sprecherin aus
ihrem wolgadeutschen Heimatort. Was in den Geschichtsbüchern als „Deportation der
Russlanddeutschen im zweiten Weltkrieg“ bekannt ist, wird hier zur gelebten Geschichte.
Die Menschen hatten nur ein paar Stunden zur Verfügung, um sich auf das endgültige
Verlassen des Heimatortes vorzubereiten. Sie durften nur ganz wenig an Gepäck mitnehmen.
Das Schiff, mit dem sie transportiert werden sollten, kam zu spät, und sie mussten bis
zum Abend warten. Das Vieh kam vom Feld zurück in den Ort, und die Kühe konnten nicht
gemolken werden, sie brüllten, die Hunde bellten, die Katzen maunzten und die Menschen
weinten. Es wäre ein grässlicher Jammer gewesen. Die Sprecherin begreift nicht, wie die
Menschen damals so etwas haben aushalten können. |
Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_18 |
Mit Bedauern stellt die Sprecherin fest, dass in ihrem Heimatdorf leider zu wenig
deutsche Lieder bekannt wären. Es wird aber überall deutsch gesprochen und jeder kennt
die örtliche Mundart. Früher war es noch sehr verbreitet, dass auf Hochzeiten deutsche
Lieder gesungen wurden. Und auch jetzt würden Frauen das gerne lernen und singen, damit
die Kinder später nicht schelten können, dass ihre Eltern ihnen nichts beigebracht
haben. Die Sprecherin erzählt von ihrem Vater, der früher sehr viele deutsche Lieder
kannte, jetzt sei er schon alt und vergisst sie schon. Aber früher kannte er sie alle,
nun, er hat ja Gitarre gespielt. Und auch in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) war es
ja eine Freude für die Menschen, manchmal die einzige Freude, dass sie ein bisschen
Gitarre spielen und deutsche Lieder singen konnten. |
Russlanddeutsche Lieder |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_19 |
Da ihr Heimatdorf ein kleines Dorf ist, erzählt die Sprecherin, kann im Klub
(Gemeinschaftskulturhaus im Dorf) keine große Veranstaltung wie z.B. ein „deutsches
Konzert“, stattfinden. Aber es soll bald ein neuer Klub gebaut werden, und dann gibt es
auch ein deutsches Konzert. Vorerst waren die Dorfbewohner mit zwei Bussen zum
Deutschkonzert in einen benachbarten größeren Ort gefahren. Ganz ausführlich berichtet
die Sprecherin über dieses bemerkenswerte Ereignis im Leben der Russlanddeutschen, das
damals, in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre, in Sibirien stattgefunden hat. Ein
Konzert in deutscher Sprache – so etwas gab es noch nicht. An drei Tagen gingen Busse in
das benachbarte Dorf und jeder wer wollte konnte mitfahren und das Konzert besuchen.
Eigentlich waren das nicht Konzerte, sondern Veranstaltungen des Deutschen Theaters aus
Alma-Ata, der damaligen Hauptstadt Kasachstans. |
Freizeitgestaltung ; Konzert |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_20 |
Die Sprecherin war schon immer stolz auf ihr Dorf. Die Häuser sind schon jetzt
schön, aber die Menschen werden immer klüger und bauen immer schönere Häuser. Früher
waren die Häuser alle auf eine Art gebaut, aber jetzt fangen die Leute an, sehr
verschiedene Häuser zu bauen. Das trägt dazu bei, dass das Dorf schöner wird, auch
besonders wenn es dann viele Bäume gibt. Es gibt einen neuen Klub (Gemeinschaftshaus)
und ein neues Kontor im Dorf, und später soll es noch ein neues KBO (Kombinat für
Dienstleistungen) geben. Es wird auch versprochen, dass es eine Post im Dorf geben soll.
Und es sollen auch – wenn nicht in diesem Jahr, dann im nächsten – die vier Straßen und
„Kreuzgässchen“ im Dorf asphaltiert werden, damit man jederzeit und bei jedem Wetter
rein- und rausfahren kann. |
Dorf Pobotschino ; Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Häuser ; Infrastruktur |
Überlegungen |
RUDI_E_00003_SE_21 |
Die Sprecherin erinnert sich noch an die alte Dorfschule, die zuerst nur drei Zimmer
hatte und aus Lehmstein war. Im Jahr 1963 wurde dann eine neue Schule gebaut, und jetzt
gibt es im Dorf eine zweistöckige Schule mit über dreihundert Schülern. Früher mussten
zwei Parallelklassen in einem Zimmer sitzen, jetzt ist das natürlich ganz anders. Auch
mussten die Schüler früher Mistholz (getrockneter Kuhdung als Brennstoff) in die Schule
mitbringen, jeder Schüler paar Mistholzsteine, damit die Schule überhaupt geheizt werden
und Unterricht stattfinden konnte. Die Räume waren damals sehr klein, es war eng, nicht
alle Schüler haben reingepasst und so mussten manche Kinder im Korridor sitzen. Es war
alles aufeinander. Trotzdem hatten sie gute Lehrer, die keineswegs schlechter als in der
Gegenwart gewesen wären. Umgekehrt, sagt die Erzählerin, es kommt ihr vor, als hätten
die noch besser und „herzhafter“ gearbeitet als die heutigen Lehrer. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_22 |
Die Sprecherin findet, dass ihr Heimatdorf am schönsten unter den Nachbardörfern
ist. Sie möchte in keinem anderen Ort leben. |
Heimatdorf: Dorf Pobotschino |
Mitteilung |
RUDI_E_00003_SE_23 |
Die Sprecherin beschreibt ihr Heimatdorf. Sie betont, dass es ihr sehr gut gefällt,
wie das Dorf aussieht. Außerdem berichtet sie, welche Nationalitäten im Dorf leben und
welche Sprachen gesprochen werden. |
Dorf Pobotschino ; Bäume ; Bewohner ; Sprachen |
Beschreibung |
RUDI_E_00003_SE_24 |
Im Heimatdorf der Sprecherin gibt es ein gemeinschaftliches Bad (russ. Banja), aber
es ist zu klein. Es soll im nächsten Jahr, erzählt die Frau, eine neue Banja gebaut
werden, eine große Banja. In der benachbarten Sowchose wurde schon eine finnische Banja
gebaut, es ist recht schön da drinnen. Ihre Schwiegermutter war schon drin, und lobt
dieses Bad sehr. Nun, die Sprecherin selbst war auch schon in finnischen Banjas, sie
kennt das, es ist „richtig schön“. |
Dorf Pobotschino ; Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Banja |
Überlegungen ; Beschreibung |
RUDI_E_00003_SE_25 |
Das Problem in diesem sibirischen Dorf war - wie überall in der Welt – dass die
jungen Leute sich dort nicht gehalten haben und in die Stadt ausgewandert sind. Sowohl
die Jungen, wenn sie aus der Armee zurückkamen, als auch die Mädchen, wenn sie
„ausgelernt“ hatten. Sie hätten keine Arbeitsplätze im Dorf. Das könne aber nicht so
weiter gehen, meint die Sprecherin. Da müsste man sich was überlegen, es müsse mehr
Arbeitsplätze geben, damit die jungen Leute im Dorf gehalten werden können. Sie hofft
dass die „Perestrojka“ auch hier ihren Beitrag leisten wird und dass alles sich bessern
werde auch im Dorf. Wasserleitung gibt es ja schon, hoffentlich gibt es auch komfortable
Wohnungen. Denn das ist ja immer das wichtigste, sowohl für die Alten als auch für die
Jungen. Ansonsten ist das Dorf sich einig, die Mehrheit der Menschen sind Einheimische,
und es muss nur noch etwas besser werden in Bezug auf die Wirtschaft, allerdings sei das
alles freilich auch in ihren eigenen Händen, schließt die Sprecherin. |
Dorf Pobotschino ; Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Junge Leute ; Arbeitsplätze |
Meinungsäußerung |
RUDI_E_00003_SE_26 |
Die Sprecherin spricht über das Obstdefizit in ihrem Heimatdorf in
Sibirien. |
Dorf Pobotschino ; Obst |
Überlegungen ; Wunschäußerung |
RUDI_E_00003_SE_27 |
Die Sprecherin macht sich Gedanken über die Zukunft des Dorfes. Sie träumt von
Häusern für die alten Rentner. Die Häuser sollten modern und mit allen komfortablen
Einrichtungen ausgestattet sein. In einem größeren benachbarten Ort gäbe es schon solche
Häuser. Die Sprecherin ist sicher, dass es auch bei ihnen im Dorf so etwas bald geben
wird. Denn sie haben einen jungen Vorsitzenden, und das ist durchaus realistisch, dass
es auch in ihrem Dorf so sein wird. Das wäre gut, wenn die alten Leute sich abends auf
die Sofas legen und ihre Knochen etwas „biegen“ könnten. Sie meint, die hätten schon
genug erlebt und sind es wert, sich ein bisschen ausruhen zu können. Es werden im Dorf
viele Bäume gesetzt, im Laufe der letzten Jahre wurden schon viele Bäume gesetzt, und
das Dorf wird letztendlich in der Zukunft wie ein Obstgarten sein. |
Zukunftspläne ; Wohnsituation |
Überlegungen |
RUDI_E_00003_SE_28 |
Wir können arbeiten, aber wir können auch feiern, tanzen, singen und Spaß machen,
sagt die Sprecherin. Vor einer Woche hätten sie einen Geburtstag gefeiert, haben
gesungen und getanzt. Schnaps trinken sie allerdings nicht viel, das brauchen sie nicht,
aber singen und tanzen mögen sie sehr. Der Mann der Sprecherin spielt Akkordeon. In der
Familie machen sie viel mit Kindern, singen und spielen Instrumente, lernen deutsche
Lieder. Vor kurzem hat die Mutter Geburtstag gefeiert, und da sie eine
„zusammengeführte“ Familie sind, so waren sie zusammen einundzwanzig Personen. Das war
ein großer Kreis, und sie haben so lustig getanzt, das war wie eine Hochzeit, meint die
Sprecherin. Es gibt auch andere Feiertage, zum Beispiel „Verabschiedung vom Winter“. Die
Sprecherin erzählt ausführlich über diesen Feiertag, wie er gefeiert wird. Letztendlich
wird im deutschen Dorf genauso gefeiert wie die Russen die „Verabschiedung des russisch
Winters“ feiern, das wurde also von der russischen Bevölkerung übernommen. |
Freizeitgestaltung ; Sitten und Gebräuche: Feiertage ; Musikinstrumente ; Lieder ; Essen ; Russlanddeutsche Gerichte |
Bericht |
RUDI_E_00003_SE_29 |
In dieser Kindheitserinnerung denkt die Sprecherin an einen Fall. Sie hatten eine
Sau, die hat Ferkel bekommen und hat sie aber umgebracht, hat sie gefressen. So etwas
kam manchmal vor. Den Kindern haben die Ferkel sehr leid getan. Das letzte Ferkel, das
noch geblieben war, war schon echt groß und die Sau hat es auch angerissen. Dann wollten
die Kinder – drei Mädchen und ein Bube – es beerdigen, da es ihnen so leid getan hat.
Sie hatten ein Loch in der Erde gemacht und haben es eingegraben. Dann haben sie
Beerdigung durchgeführt: sind um das Loch gelaufen und haben das Lied „Im Wald ist eine
Tanne geboren“ (russ.: w lesu rodilasj jolotschka) gesungen und Kreuzchen gemacht. Die
Mutter hat dann wegen der „Prodelki“ (Streiche) geschimpft. |
Kindheit ; Streiche |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_30 |
Die Sprecherin überlegt sich, was sie in ihrem Alltag gern anders hätte. Sie
konzentriert sich auf das Thema „Teilzeitarbeit für Frauen“ und äußert den Wunsch, dass
Männer den Frauen im Haushalt mehr helfen. |
Alltag ; Arbeit ; Wünsche ; Frauenarbeit |
Überlegungen ; Wunschäußerung |
RUDI_E_00003_SE_31 |
Die Sprecherin wünscht sich, dass die Regierung mehr für Frauen tut. Ihr fallen
sogar konkrete Maßnamen ein, die Frauen den Alltag (z.B. das Kochen) erleichtern
könnten, so dass Frauen mehr Zeit für ihre Kinder hätten. |
Alltag ; Essen ; Kindererziehung ; Frauenarbeit |
Meinungsäßerung ; Wunschäußerung |
RUDI_E_00003_SE_32 |
Die Familie der Sprecherin hat eine große eigene Hauswirtschaft. Im Garten wachsen
Erdbeeren und schwarze Johannisbeeren, sie pflanzen auch Kartoffeln. Sie halten Ziegen,
Schafe und Kühe und von Geflügel haben sie Hühner und Gänse, Enten haben sie dieses Jahr
keine. Sie wollen essen, deswegen müssen sie auch arbeiten, sagt die Frau. Sie erzählt
über ihre Schwiegermutter, die Mutter ihres Mannes, die für ihr Alter noch ganz munter
sei und so viel wie möglich im Haushalt und der Wirtschaft mithilft. Ihr Haus gefällt
der Frau, obwohl es kein neues Haus ist. Es ist noch aus Lehmstein gebaut und hat ein
Blechdach. Sie haben Wasserleitung und auch einen eigenen Brunnen. Essen und Trinken
haben sie genug und auch genug Platz, so dass jeder zu Besuch kommen kann. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Garten ; Pflanzen ; Vieh ; Geflügel ; Brunnen ; Wasserleitung ; Familie ; Haushalt ; Haus |
Erzählung ; Beschreibung |
RUDI_E_00003_SE_33 |
Die Häuser wurden im deutschen Dorf früher sorgfältig gepflegt. Es wurden auch mit
Ruß Kränzchen oder Bäume draufgemalt und die Häuser wurden alle jeden Sommer getüncht
(„geweißelt"), das Dorf sah sehr schön aus von weitem. Von innen waren die Häuser sehr
sauber, die Böden wurden jeden Samstag „geschlemmt" mit einer Mischung aus Lehm, Sand
und Kuhmist. Die Stuben wurden mit Meerrettichblättern ausgelegt und sie waren daher
sehr frisch. Das wurde immer am Samstag gemacht. Auch wurde das Geschirr – Gäbelchen und
Löffelchen – mit Asche aus dem Ofen und einem Stoffläppchen geputzt und gerieben. Früher
gab es auch häufig die Situation, dass Kälbchen und Lämmchen in der Stube waren. Es
wurde für sie in einer warmen Ecke ein Stückchen Platz abgeriegelt und Stroh
bereitgelegt. Die kleinen Tiere waren ein paar Tage in der Stube, bis sie Kraft
geschöpft hatten und in den Stall gebracht werden konnten. Die Sprecherin äußert den
Gedanken, dass das Nebeneinander der Menschen und Tiere auf engem Raum auch dazu geführt
hätte, dass die Leute sich einiger waren und daran gewöhnt, zusammen zu sein, anders als
heutzutage, meint sie, wo man das Vieh nicht mehr so lieb hat wie früher und sich schon
voneinander abgewöhnt hat. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Haus ; Haushalt ; Vieh |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_34 |
Wenn Urlaub kommt, dann wäre es nicht schlecht, mit den Kindern in die Stadt zu
fahren und den Zirkus oder was anderes zu besuchen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, dann
würde die Sprecherin das machen. Allerdings weiß sie noch nicht, ob das geht. Denn der
Herbst bringt manchmal so viele Arbeiten, an die jetzt noch gar nicht gedacht werden
kann. Da müssen Fenster eingestellt werden (Doppelfenster für den Winter), da müssen
Kartoffeln ausgegraben werden. Manchmal geht es ja gut mit den Kartoffeln, wenn es ein
trockener Herbst ist, dann macht man die Kartoffeln aus und muss sich nicht weiter
quälen, aber manchmal schleppt man sich herum mit den Kartoffeln wie die Katze mit der
Maus aus einer Ecke in die andere. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Herbstarbeiten |
Überlegungen |
RUDI_E_00003_SE_35 |
Die Sprecherin erzählt wie ihre Familie ein Heulager gebaut hat. |
Heulager bauen |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_36 |
Zu diesem Zeitpunkt wird das Heumähen vorbereitet. Das wird in den nächsten Tagen
geschehen. Der Mann der Sprecherin hat schon sein Traktorchen vorbereitet, er muss nur
noch etwas reparieren. In diesem Jahr wäre wenig Regen gewesen, und daher ist es sehr
schwach mit dem Heu. Die Familie wartet noch mit Schmerzen auf Regen, damit es später
noch Gras zum Mähen gibt. Wenn es keinen Regen gibt, dann gibt es auch keine Ernte, wenn
es keine Ente gibt, dann gibt es auch kein gutes Leben, sagt die Frau. Das Heu brauchen
sie unbedingt. Sie müssen den Winter über das Vieh füttern, und das müssen sie alles
vorbereiten. |
Landwirtschaftliche Arbeiten: Heumähen |
Erzählung |
RUDI_E_00003_SE_37 |
Die Hochzeiten wurden früher anders gefeiert als heutzutage. Die sehr hübsch
gekleidete Braut wurde (auch im Winter) durch das Dorf geführt. Vor der Hochzeit gab es
spezielle 'Hochzeitspeter', die die Dorfleute zur Hochzeit eingeladen haben. Gefeiert
wurde bis 12 Uhr nachts, dann wurden Hochzeitsgeschenke gemacht. Wenn der Kranz
'abgespielt' (heruntergenommen) wurde, dann wurde das Lied 'Schön ist die Jugend'
gesungen. Die Hochzeit ging noch einen oder zwei Tage lang weiter. Es wurde sehr viel
gekocht und vor allem auch typisch deutsche Gerichte wie Nudelsuppe und Hirsebrei, in
den früheren Jahren wurde auch noch Gerstensuppe oder Reisbrei gekocht. Aber zum
Zeitpunkt der Hochzeit der Sprecherin wurden schon sehr viele verschiedene Gerichte
gekocht, wie Nudelsuppe oder Krautsuppe, Fleisch, gestampfte Kartoffeln, Kompotts,
verschiedene Salate. Auch wurde viel gebacken, mit einem Wort, es gab viel zu Essen. Vor
der Hochzeit gab es gewöhnlich noch 'Polterabende', wo geprüft wurde, ob der Boden stark
genug war, um die tanzenden Hochzeitsgäste 'auszuhalten'. Die Sprecherin schließt ihre
Erzählung damit, dass die Zeiten zwar schwer waren, es aber auch viel Schönes gab, auch
während dieser schweren Zeit. Die Sprecherin erzählt im typischen oberhessischen Dialekt
ihres Heimatortes unweit der Stadt Omsk. Sie ist gebürtige Wolgadeutsche oberhessischer
Herkunft |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit ; Lieder ; Essen ; Hochzeitsgerichte |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_38 |
Auf die Frage der Interviewerin „Was ist auf russlanddeutschen Hochzeiten geschenkt
worden?“ antwortet die Sprecherin „ nun geschenkt hatten sie als auf den Hochzeiten nun
wie einer konnte“. Und auch heutzutage wird auf den russlanddeutschen Hochzeiten viel
geschenkt, so dass die Hochzeiten sich oft auszahlen. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit ; Geschenke |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_39 |
Die erste Reise in ein anders Dorf hat die Sprecherin mit dreizehn Jahren
unternommen. Sie besuchte den Bruder ihrer Mutter, der in einem russischen Dorf im
Norden Westsibiriens lebte. Es ging zuerst mit dem Bus in die Stadt, dann verbrachten
sie eine Nacht auf dem Bahnhof, weil sie so lange auf den Zug warteten, sind erst
morgens gegen acht Uhr losgefahren und nachts in Ischim angekommen. Von den Bussen und
Bahnhöfen war das Mädchen von dreizehn Jahren sehr beeindruckt, das war etwas „Großes“.
Die Erzählung ist deswegen interessant, weil die Sprecherin dieses russische Dorf mit
ihrem Dorf in Bezug auf verschiedene Angelegenheiten vergleicht und über die
Unterschiede, die sie zum ersten Mal wahrnehmen konnte, ihr Urteil abgibt. Sie
beobachtete sowohl die Menschen als auch andere Unterschiede, z.B. die Renovierung und
Bauweise der Häuser, die sehr unterschiedlichen Brunnen und die Unterschiede im
Trinkwasser. Sehr beeindruckt war sie durch eine betrunkene alte Frau, die mit einem
Galoschen und einem Schuh tanzte. Das kann sie nicht vergessen und das Bild steht ihr
noch heute vor Augen. Sie hatte vorher noch nie eine betrunkene Frau gesehen. |
Reise ; Leben der Russen aus der Sicht der Russlanddeutschen |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_40 |
Die Sprecherin war mit dreizehn Jahren in einem russischen Dorf zu Besuch und erzählt welche Verwandten und Bekannten von ihr dort leben. Sie beschreibt sehr ausführlich einen Teppich, den sie in diesem russischen Dorf gesehen hat und von dem sie sehr beeindruckt war. |
Verwandtschaft ; Krankheiten ; Teppich |
Erinnerung ; Beschreibung |
RUDI_E_00003_SE_41 |
Die Frau erzählt über einen Fall, der sich in der Kindheit während ihres Besuches
bei den Verwandten im Ischimsker Rayon zugetragen hat, und zwar über den Besuch einer
Sommerweide der Kühe. Ihre Tante war dort Melkerin und der Onkel führte die Frauen mit
dem Lastauto zum Melken auf die Außenstelle, eine Viehweide im Sommer. Die Sprecherin
war einmal mitgefahren, um sich dort umzuschauen. Als sie da ankamen, sah sie auf einmal
sehr schöne Blumen, die etwas abseits von dem Hauptweg wuchsen. Sie ist dahingegangen,
um die Blumen zu rupfen. Auf einmal haben die Menschen gerufen, sie soll zurückgehen.
Was sei da los, dachte sie. Sie hat schon gespürt, dass sich die Erde unter ihren Füßen
etwas bewegt hatte. Es hat sich herausgestellt, dass dort Sumpfboden war. Wenn sie
weiter gegangen wäre, wäre sie „unten hinausgeschwommen“. Das war etwas, was in der
Steppe, wo das Heimatdorf der Sprecherin war, nicht vorgekommen ist. |
Gefährlicher Vorfall |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_42 |
In dieser Kindheitserinnerung erfährt man, wie gerne Kinder früher in die
Kinderkrippe gegangen sind, wenn es eine solche in einem deutschen Dorf gab. (Das war
eine Seltenheit, in den meisten Fällen gab es keine Kinderkrippen bzw. Kindergärten.) Es
gab keinen Raum und kein Haus für eine solche Einrichtung. In der alten Schule aus
Lehmstein hatten sie Zimmer zum Schlafen eingerichtet, und gekocht wurde draußen, wo
Zelte aufgestellt waren. Die alte Franzen-Base (Tante) war die „Jasle-Moddr“, so einen
Beinamen hatte sie (Kindergarten-Oma). Und dann hatten sie dort gekocht, und wenn so
eine Truppe Kinder zusammen ist, dann essen sie auch gern, dann scheint alles besser zu
schmecken als zu Hause. Dann haben sie die deutsche Kost gekocht wie Ribbelsuppe und
Bliny. Und es war doch nicht so wie jetzt, da war alles etwas leichter. Und schlafen
mussten sie auch nicht mittags. Sie sind sehr gerne in die Jasle gegangen. |
Kindheit ; Kindertageseinrichtung ; Essen |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_43 |
In den deutschen Dörfern in Russland und Kasachstan gab es früher kein oder kaum
Spielzeug und Spielsachen für Kinder. Kinder mussten dann selbst erfinderisch sein. Eine
der Auswegmöglichkeiten, die weit verbreitet war, war das „Hüttenbauen“. Die Sprecherin
erzählt über eine solche Hütte in ihrer Kindheit. Man hatte die Erde ausgegraben, ein
größeres Loch gemacht, das war dann das Zimmer. Danach wurde das Loch mit Holz oder
Zweigen belegt, und das war das Dach. Und dann wurde die Hütte „eingerichtet“, mit allem
Möglichen was zu finden war. Und dann brachten sie auch Essen in die Hütte, was es gab,
und richteten eine Stalowe (Kantine) ein, dann haben sie dort auch gegessen. Wie gerne
die Kinder diese Hütten hatten, merkt man an der Anmerkungen der Sprecherin, dass sie
nicht vergessen kann, wie sie damals diese Hütten gebaut und dort gespielt
haben. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Kinderspiele |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_44 |
Den Milchsuppesturm haben die zwei ältesten Kinder der Sprecherin angerichtet, als
die Frau sie einmal allein gelassen hat. Sie hatte Milchribbelsuppe gekocht, eine
typisch russlanddeutsche Suppe aus Milch mit feinen, selbstgemachten Klößchen. Sie hatte
die Kinder zum Essen an den Tisch gesetzt. Solange sie essen, dachte sie, werden sie
sich ruhig verhalten, und sie wollte in der Zeit schnell zu einer Nachbarin gehen, um
etwas zu erledigen. Das würde auch nicht lange dauern. Als sie zurückkam, öffnete sich
ihren Augen ein Bild, als ob in dem Zimmer ein Sturm gewesen wäre. Die Kinder saßen am
Tisch, haben die Milchsuppe in den Mund genommen und in die Luft geblasen. Ihr blieb
dann nichts anderes übrig, als wohl oder übel den Lappen zu nehmen und von Neuem
abzuwaschen. |
Kinderstreiche |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_45 |
Mit Kuhmist, Stroh und Sägespänen wurden früher „Tatschken“ gemacht. Das wurde alles
vermischt, dann getreten und geformt. Als Mädchen hat sie das „allmächtig“ gerne
gemacht. Die Masse wurde in alte Schüsselchen mit Löchern hineingemacht oder
„hineingetatscht“, so wie auch Lehmsteine gemacht wurden früher. Die Lehmsteine wurden
mit besonderen Formrahmen angefertigt, und die Mädchen haben Schüsselchen genommen. Nach
zwei Tagen wurden sie herumgedreht, getrocknet, zusammengesetzt in viereckige Haufen und
wieder getrocknet. Im Herbst wurde das alles noch zugeschmiert, das Mistholz, die
Tatschke und die Kuhscheiße-Platten, die sie auch gesammelt hatten, damit es nicht
hineinregnet. Damit wurde dann den ganzen Winter geheizt. Und im Sommer hat man als mit
Stängel oder manchmal mit Stroh geheizt. Beim Hochwasser im Dorf wurden dann die
herumliegenden Baumstümpfe gesammelt und damit dann im Winter auch geheizt. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Heizen ; Mistholz |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_46 |
Die Dorfbewohner sind früher nicht oft verreist. Zweimal war diese Sprecherin zu
Besuch bei ihren Verwandten im Nordkaukasus. Einmal waren sie in einer Stadt und einmal
im Dorf zu Besuch. In der Stadt haben ihnen besonders die modernen Wohnungen mit Bad,
warmem Wasser und allen anderen Komforteinrichtungen gefallen. Man braucht kein Wasser
rein- und rausschleppen und kann waschen, so viel man will. Sie waren insgesamt vierzehn
Tage unterwegs, zuerst in Moskau, dann in Krasnodar und Sewero-Donezk. Sie war zwar müde
vom Reisen und Unterwegssein, aber es hat ihr gut gefallen. Die „Natur“ (Gegend) war
gut, sie sahen die Berge, was für sie ganz neu war. In den Geschäften ist ihr besonders
aufgefallen, dass es keine Schlangen gab. Sie sind daran nicht gewöhnt, sie müssen immer
Schlange stehen, wenn sie in ihre Stadt in Sibirien fahren. Das Mausoleum von Lenin
wollten sie auch besuchen, aber sie war so müde, dass sie es nicht mehr schaffen konnte.
Sie würde auch WDNCH (Ausstellung der Wirtschaftsleistung) besuchen usw., aber das wird
wahrscheinlich erst in der Zukunft möglich sein. |
Reise |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_47 |
In der Schule war es „tüchtig“ interessant, erzählt die Sprecherin. Es gab
Ereignisse, die sie bis jetzt nicht vergessen kann. Dazu zählt z.B. ein „Pochod“, ein
Ausflug nach Charitonowka, der drei Tage und Nächte andauerte. Es war ein
außergewöhnlicher Lehrer, mit dem sie diese Fahrt unternommen hatten, und der ist ihr
auch in Erinnerung geblieben. Auch an eine andere Lehrerin erinnert sie sich. Nach der
achten Klasse ging es dann im eigenen Dorf nicht weiter, und so musste sie in ein
benachbartes größeres Dorf in die Schule gehen, dort besuchte sie die neunte und zehnte
Klasse. Auch dort waren die Lehrer sehr gut. Sie schätzt besonders eine Lehrerin, die
sehr streng, aber geduldig war. Sie hat die Schüler mit Gutem zum Lernen gebracht,
unnötig hat sie mit ihnen nicht „gescholten“. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_48 |
Ab der fünften Klasse haben Schüler in den Sommerferien immer in der Kolchose oder
Sowchose gearbeitet. Das war eine gewünschte und willkommene Abwechslung von dem
Schulalltag. Außerdem konnten sie sich ein bisschen Geld verdienen. Dabei kamen alle
landwirtschaftlichen Arbeiten in Frage. Die Sprecherin hat gerne in den Sommermonaten
gearbeitet. Sie hat geschmiert (mit Lehm), geweißt oder getüncht – das waren typische
Sommerarbeiten zur damaligen Zeit. Sie hat in der Milchabteilung und bei der
Schweineverpflegung der Sowchose gearbeitet und auch noch sämtliche andere Aufgaben
erfüllt. Sie hat diese Zeit genossen, vor allem deswegen, weil die jungen Mädchen damals
mit älteren erfahrenen Frauen zusammen gearbeitet haben und oft verschiedenen
Geschichten aus der Vergangenheit gehört haben. Den Mädchen war das wie „Wasser auf die
Mühle“. |
Schule ; Sommerferien ; Kolchose ; Landwirtschaftliche Arbeiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_49 |
Früher gab es im Dorf eine Mode auf gestrickte Schuhe. Die Sprecherin hatte auch
einmal solche Schuhe bekommen. In diesem Zusammenhang erinnert sich die Frau an zwei
Geschichten, die beide mit der Verschiedenheit der Dialekte zu tun haben. In
verschiedenen Dörfern wurden die gleichen Gegenstände manchmal unterschiedlich benannt,
und so passierte es mit den erwähnten Strickschuhen. Eine andere Geschichte betrifft das
Nähkörbchen, dafür gab es auch unterschiedliche Bezeichnungen, wie die Sprecherin
erzählt. Das ist sehr „spaßig“, meint die Sprecherin, zwei deutsche Menschen, und haben
sich nicht verstanden. Solche Geschichten kamen allerdings sehr oft vor, da in Russland
Vertreter verschiedener Dialekte häufig in den gleichen Orten, lebten auch nicht selten
als Nachbarn, und in der ersten Zeit der Nachbarschaft sich häufig nicht ganz verstanden
haben. |
Russlanddeutsche Dialekte ; Verständigungsprobleme |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_50 |
Eine Reise nach Taschkent (Usbekistan) hat der Sprecherin sehr gut gefallen. Sie hat
dort die Schwester ihres Mannes besucht. Dort wohnen verschiedenen Nationalitäten, auch
viele Deutsche (Russlanddeutsche). Die „Natur“ (Gegend) hat ihr sehr gut gefallen, es
war warm und es gab viele Berge. Deswegen war es auch sehr ungewöhnlich, denn sie kommt
aus einer Steppengegend, und ist es nicht gewöhnt, mit dem Bus durch die Berge zu
fahren. Sie hatte das Gefühl, dass der Bus gleich abstürzt. Überrascht war sie durch die
Tatsache, dass so viele Männer im Geschäft als Verkäufer tätig waren. Die erschienen ihr
als „steif“. Das würde gar nicht „passen“, die Frauen wären da viel geschickter, meint
die Sprecherin. Aber das sei deren Heimat, und bei denen sei es so „eingerichtet“. |
Reise nach Taschkent |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_51 |
Die Sprecherin erzählt über ihren Mann, einen „Technikliebhaber“. Schon früh hat er
angefangen auf dem Traktor zu arbeiten, und zwar auf einem DT-54. Das war früher eine
schwere Arbeit. Die Traktoren waren noch von schlechter Qualität, nicht komfortabel,
kalt, der Fahrer musste sehr gut und dick gekleidet sein, beim Fahren gab es Wind und
Schnee, und sie wundert sich, wie Menschen nur so etwas aushalten konnten. Danach hat er
schon auf besseren Traktoren gearbeitet, z.B. K-700. Er war sehr froh und zufrieden, als
er damit gearbeitet hat. Die Frau erzählt ausführlich über die Arbeitsjahre des Mannes
und über die Auszeichnungen und Geschenke, die er während seiner Arbeit bekommen hat. Er
arbeitet zwar gegenwärtig nicht mehr auf dem Traktor, aber sein Herz hängt noch an der
Technik. Er muss jeden Abend was schrauben, auch wenn es nur sein Motorrad ist, anders
kann er nicht. |
Technische Fortschritte ; Traktor ; Ehemann ; Arbeit ; Arbeitsauszeichnungen |
Erzählung ; Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_52 |
Obwohl die Zeit des Urlaubs schon gekommen sei, überlegt die Sprecherin, könnte sie
sich jetzt den Urlaub noch nicht leisten. Sie muss noch bis September warten. Denn im
Urlaub wird sie Kartoffel ausgraben und zu ihrer Schwester und ihren Brüdern in die
Stadt fahren. Sie würde sich dort „umgucken“ und vielleicht ein bisschen bei der
Hausarbeit helfen. Allerdings ist es nicht unbedingt nötig, dass sie hilft. Die werden
jetzt alle auch selbst mit ihrer Arbeit fertig. Aber die Frau sagt, sie braucht immer
was zu „treiben“, und daher sucht sie sich natürlich auch im „Urlaub“ eine
Beschäftigung. Bei einem Bruder, der eine große Hauswirtschaft hat, findet sich immer
was zu helfen. |
Familie ; Verwandtschaft ; Alltagsleben der Russlanddeutschen |
Überlegungen |
RUDI_E_00003_SE_53 |
Die Sprecherin träumt von einem "echten" Urlaub, wenn sie zum Beispiel mal in ein
Sanatorium oder in einen „Dom otdycha“ (Kurhaus) fahren könnte, wo sie ihre Ruhe hätte
und sich mal richtig erholen könnte. Wenn sie nur so etwas auch mal erleben könnte. Wenn
die Kinder mal größer sind, vielleicht ist es dann möglich. Aber natürlich will sie
nicht dorthin fahren, um sich zu heilen, sie würde lieber gesund bleiben und einfach so
in ein Sanatorium fahren, um sich zu erholen. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Urlaub |
Vorstellungen |
RUDI_E_00003_SE_54 |
Die Sprecherin erzählt, mit welchen Komplikationen die Waschvorgänge früher
verbunden waren, zu der Zeit, als es noch keine Waschmaschinen gab und Seife noch von
den Frauen selbst hergestellt wurde. Die selbst hergestellte Seife hat „tüchtig"
gewaschen und war „scharf". Die Seife wurde „hineingeschnitzelt" ins Wasser. Die Wäsche
wurde in der Regel zweimal gewaschen, geschwenkt, gebleicht und dann aufgehängt. Es war
nicht wie heute – Waschmaschine an und los. Dort musste man das Wasser erst in großen
Kesseln heiß machen, dazu musste man erst „Mistplatten" (Brennzeug) auf dem Feld
sammeln, in Säcken nach Hause tragen, um die Öfen zu heizen. Das „Mistholz" war das
übliche Brennzeug. Die Wäsche, die nicht gekocht werden musste, wurde auch häufig im
„Oser" (See) ausgeschwenkt (bis dahin musste sie natürlich erst noch gebracht werden).
Der gesamte Waschprozess war immer mit dem „Waschbrett" verbunden. Das arme Waschbrett
musste viel aushalten, denn in der Regel gab es in der Familie nur ein Waschbrett, und
für viele Jahre. Das Waschbrett hat schon „gekrischen", es hatte schon Angst, wenn man
es in die Wanne gestellt hatte. |
Alltagsleben der Russlanddeutschen ; Haushalt ; Wäscherei |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_55 |
In dem Heimatdorf der Sprecherin gab es sehr selten kulturelle Veranstaltungen wie
zum Beispiel ein Konzert. Im Mittelpunkt der Erzählung steht hier ein Zigeunerkonzert.
In allen Details berichtet die Sprecherin, wie es verlaufen ist, was vorgestellt wurde,
wie die Reaktion der Menschen war und warum eine solche Veranstaltung im Dorf sehr
willkommen war. Wir erfahren auch etwas über die Zigeuner, die damals in Sibirien
unterwegs waren. Es waren „richtige“ Zigeuner und sie waren „tüchtig schön“ gekleidet,
haben schön gesungen und getanzt. Der Saal war voll von Zuschauern, es standen sogar
welche. Die Sprecherin berichtet, dass es so etwas sehr selten gäbe bei ihnen im Dorf,
und deswegen gehen die Leute „herzlich gerne“ hin. Sie sind „tüchtig froh“, dass so
etwas stattgefunden hat. |
Zigeunerkonzert |
Erinnerung |
RUDI_E_00003_SE_56 |
Im Jahr 1941 hat in dem Heimatdorf der Sprecherin eine Überschwemmung stattgefunden.
Sie erzählt diese Geschichte nach den detaillierten Erinnerungen ihres Vaters, der
damals sechzehn Jahre alt gewesen war und diese Überschwemmung selbst erlebt hat. Sie
haben die Betten aufeinander gestellt, und das bisschen Essen (Lebensmittel) und
Bettsachen, die sie hatten, wurden obendrauf gelegt. Als der Vater die Tür aufmachte,
ist das Wasser hineingelaufen und er stand halb im Wasser. Und vielen anderen ging es
genauso, die ganzen Häuser waren unter Wasser, und die Leute mussten aus den Häusern
ausziehen. Sie haben dann auf Dächern gewohnt oder bis drei vier Familien in einem Haus.
Auch in 1958 war noch einmal eine Überschwemmung, aber nicht so mächtig und außerdem
waren die Häuser ja auch schon größer. In 1964 war auch noch einmal eine Überschwemmung
und das Wasser stand sehr lange. Gegenwärtig hat man allerdings schon Maßnahmen
ergriffen, damit die Überschwemmungen nicht so viel Schaden anrichten. |
Überschwemmung |
Erzählung |
RUDI_E_00004_SE_01 |
Nicht immer ging der Alltag in den niederdeutschen Ansiedlungen Russlands seinen gewohnten Trott, manchmal sorgte die eine oder andere Begebenheit auch für Belustigung, wie in vorliegendem Fall. Eines Tages ging Onkel Peter einen vielversprechenden Tausch mit seiner Nachbarin Tante Tina ein: Onkel Peter sollte sein schlachtreifes Bullenkalb gegen das ‚viel kleinere‘ Kuhkalb von Tante Tina, das 20 Liter Milch pro Tag geben würde, eintauschen. So wurde das Kuhkalb in eine warme Decke eingerollt – es sollte ja nicht krank werden – und zu Onkel Peter nach Hause gebracht. Das Bullenkalb dagegen brauchte keine Decke – es sollte ja hinterher sowieso geschlachtet werden. Als der Tausch dann vollzogen war, musste Onkel Peter mit Schrecken feststellen: „Das Kuhkalb ist ja überhaupt auch ein Bullenkalb!“ Nachdem Onkel Peter und seine Frau das vermeintliche Kuhkalb einer genaueren Prüfung unterzogen hatten, rannte Onkel Peter wieder zu seiner Nachbarin zurück. Aber als er dort ankam, war bereits alles zu spät, „denn der Kalbsraten war schon auf dem Tisch.“ |
Nachbarn ; Viehtausch |
Erinnerung ; Lustige Geschichte |
RUDI_E_00004_SE_02 |
Es ist eine Geschichte, die sich am Sonnabendnachmittag abgespielt hat, einem sehr schönen Sommertag. Der kleine Sohn sagte zum Vater: „Papa, hast du nicht Zeit heute ein bisschen zu helfen?" „Na, was willst du", antwortete der Vater. Der Sohn wollte etwas Hilfe. Sie wollten aber am nächsten Tag „spazieren" fahren und der Vater musste das Motorrad auseinandernehmen. Das Motorrad wurde auseinandergenommen und als alles beiseite gelegt war, kam der Sohn und zog die Kügelchen aus dem Kugellager. Der Vater sagte zu dem Sohn, dass man davon "rein nichts nicht" nehmen dürfe. Wenn man ein Kügelchen nimmt, dann wäre das ganze Motorrad zu gar nichts tauglich. Als das Motorrad beinahe zusammengestellt war, schaute der Vater, dann fehlten acht Kügelchen. Jetzt hatte der Sohn doch acht Kügelchen genommen. Auf die Frage, wo die Kügelchen seien, antwortete der Sohn, er hätte keine genommen, die hätten die Hühner aufgepickt. Nun, was sollten die Leute machen – sie hatten zwanzig Hühner, die wussten nicht in welchen Hühnern die Kügelchen sich befanden. Um die Kügelchen zu kriegen, sollte man wohl alle Hühner schlachten. |
Kinderstreich |
Erinnerung ; Lustige Geschichte |
RUDI_E_00005_SE_01 |
Ein in den Zwanziger- und Dreißigerjahren im Dorf Kleefeld aufgewachsener niederdeutscher Sprecher erzählt von der Entwicklung technischer Neuerungen, die er seit seiner Kindheit miterlebt hat. Als prägnantes Beispiel nennt er das Fahrrad, das 1930 noch eine äußerste Seltenheit war und damals für großes Aufsehen im Dorf sorgte. Er spricht auch davon, dass die ganze Kolchose mittlerweile mechanisiert sei ebenso wie sein ganzes Wohnumfeld. Ganz besonders hat er dabei das vor ihm befindliche Tonbandaufnahmegerät im Blick, das sogar in der Lage sei, von Menschen übermittelte Informationen aufzunehmen. Hätte ihm jemand damals in den Dreißigerjahren von solch einem Gerät erzählt, hätte er das „ewig nicht geglaubt“. Im zweiten Teil seiner Erzählung schildert er seinen beruflichen Werdegang: Neun Jahre arbeitete er als Schafhirte in der Viehzucht, in der er sehr erfolgreich war. Danach musste er jedoch die Stelle eines erkrankten Rechnungsführers übernehmen. Wenn es nach ihm ginge, wäre er am liebsten der „lebendigen“ Viehzucht treu geblieben, in die er wieder wechseln möchte, sobald sich eine Möglichkeit dazu ergibt. |
Technische Neuerungen: Fahrrad ; Mechanisierung der Kolchose ; Beruflicher Werdegang |
Erzählung ; Erinnerung |
RUDI_E_00006_SE_01 |
Was macht man, wenn die Gänseküken nicht rechtzeitig ausschlüpfen wollen? – Vor diese Frage sah sich einmal ein junges Mädchen gestellt. In einer kurzen Erzählung erinnert sich die nun schon ältere Frau an die Anfänge ihrer Gänsezucht: Sie kannte sich kaum in dieser Angelegenheit aus, musste sich aber trotzdem irgendwie zu helfen wissen. Als es dann eines Tages so weit war, dass die Gänseküken schlüpfen sollten, diese aber auf sich warten ließen, wollte sie den klugen Rat ihrer Nachbarin befolgen, nämlich ein „Wischlein" Stroh unter die Eier im Kessel zu legen, es anzuzünden und die Eier immer wieder nass zu machen, bis die die Küken aufgrund der erhitzten Eierschalen endlich ausschlüpfen – eine durchaus gängige Methode in der niederdeutschen Viehzuchtpraxis in Russland. Soweit erinnerte sie sich wenigstens noch, dass sie das Stroh anzünden sollte. Nun wusste sie aber nicht mehr, welches der nächste Schritt war… Schnell lief sie wieder zu ihrer Nachbarin, um noch einmal nachzufragen. Dort angekommen, vergaß sie von der Dringlichkeit ihrer Sache und trieb „Wahnwitz" mit der Nachbarsfrau. Als sie dann später nach Hause eilte, war natürlich alles zu spät – die Gänseküken lagen alle versengt im Kessel. Das passierte ihr nicht noch einmal… |
Schlüpfen der Gänseküken ; Trauriger Vorfall |
Erinnerung |
RUDI_E_00007_SE_01 |
Der Schulbesuch war in Russland noch vor 60 Jahren keine Selbstverständlichkeit, geschweige denn sie bis zur achten Klasse – dies war dort die letzte Klassenstufe – vollends zu besuchen. Oft nahmen Eltern ihre Kinder aufgrund schwieriger (familiärer) Umstände schon frühzeitig aus der Schule heraus, um sie bei den Arbeiten im Haus, auf dem Hof und Feld beanspruchen zu können. Von dieser bedauernswerten Lage berichtet der vorliegende Fall: Ein Mädchen, die Sprecherin dieser Erzählung, hatte sechs Geschwister, ihr Vater war mehrere Jahre von zu Hause abwesend und ihre Mutter musste die ganze Familie alleine unterhalten. Dies hatte zur Folge, dass die Mutter gerne wollte, dass das Mädchen nach der vierten Klasse zu Hause blieb, um zu Hause mithelfen zu können; es sollten nur drei ihrer Geschwister nach Halbstadt in die zwölf Kilometer entfernte Schule gehen. Da sie selbst aber gerne weiter die Schule besuchen wollte und der Dorfsowjet auch darauf drängte, kam sie dann verspätet in die fünfte Klasse. So ging sie also zusammen mit zwei ihrer Brüder zur Schule. Die fünfte Klasse musste sie jedoch wiederholen, da sie wichtige Grundlagen in Arithmetik verpasst hatte. So kam sie mit ihrem jüngeren Bruder zusammen in eine Klasse. Dieser hatte allerdings „überhaupt kein Interesse zum Lernen“ und lernte so schlecht, dass er anschließend den Schulbesuch abbrach und der Mutter half. Nachdem ihr älterer Bruder die achte Klasse abgeschlossen hatte, blieb sie alleine von ihren Geschwistern in der Schule übrig. Als dann ihr Vater wieder nach Hause zurückkehrte, besuchte sie noch die siebte Klasse im Internat, in dem neben dem eigentlichen Lernen auch noch viel „getobt und geschwätzt“ wurde, sodass das Lernen manchmal etwas hintangestellt wurde. Ihr Vater wollte, dass sie noch die achte Klasse besucht, sie entschied sich aber dagegen, um eine Arbeitsstelle als Melkerin anzunehmen. Hinterher bereute sie es, dass sie nicht den vollen Schulabschluss gemacht hatte, denn sonst hätte sie sicherlich unter besseren Bedingungen arbeiten können. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00008_SE_01 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte über einen Jungen namens Jakob. Er hütete Schafe. Einmal, als er mit seinen Schafen unter den Bäumen außerhalb des Dorfes eine Mittagspause machte, hat er sich überlegt, einen Streich mit den Leuten im Dorf zu spielen. Er ist auf einen Baum geklettert und hat nach Hilfe gerufen. Die Leute im Dorf hörten das, griffen schnell nach dem, was gerade zur Hand war (Mistgabel, Spaten, Beil) und rannten zu Jakob. Als sie da waren, sahen sie keine Wölfe, nur den Jakob, der „sich die Fäuste voll freute“. Da haben sich die Leute natürlich geärgert. An einem anderen Tag musste Jakob wieder Schafe hüten. Da kamen aber tatsächlich die Wölfe. Jakob hat wieder nach Hilfe gerufen. Es ist aber keiner zur Hilfe gekommen. Als Jakob am Abend mit den übrigen Schafen, die von Wölfen nicht aufgefressen wurden, nach Hause kam und dem Vater alles erzählte, prügelte sein Vater ihn und sagte „Wer äimal liicht dem gloupt man nicht und wenn er auch die Waarheit schpricht (Wer einmal lügt dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht)“ |
Lehrreiche Geschichte über Lügen |
Lehrreiche Geschichte |
RUDI_E_00009_SE_01 |
Wer denkt, dass die Viehzucht in den ländlichen Gegenden Sibiriens vor knapp über einem halben Jahrhundert noch sehr konservativ betrieben wurde, täuscht sich gewaltig. Tatsächlich gingen die sibirischen Farmer in den Fünfzigerjahren schon hochmoderne Wege, wie ein niederdeutscher Zeitzeuge, selbst Farmleiter und Rechnungsführer einer mit mehreren Auszeichnungen („Wympels“) versehenen „modernen“ Farm in Sibirien sowie ehemaliger Maschinen- bzw. Traktorenmechaniker und Führer einer Vollerntemaschine, sehr von dieser Technik überzeugt, beschreibt. Dabei hebt er besonders die Stammzucht mit der Methode der künstlichen Besamung hervor: Sowohl die Kühe als auch die Schafe züchteten sie mit dieser Methode, weshalb sie zum Beispiel auch sämtliche Bullen in ihrer Kolchose verkauft hatten, wodurch sie nun völlig von der Besamungstechnik abhängig waren. Ziel war es bei den Kühen, fette Kühe heranzuzüchten, und bei den Schafen, das Maximum an Wolle zu produzieren. Zufrieden blickt der Farmleiter auf bereits erzielte, aber noch ausbaufähige „Resultate“ zurück: Was die Milchproduktion in seiner Kolchose betrifft, war die Höchstleistung in seiner Kolchose das Ergebnis von 5 Litern gemolkener Milch an einem Tag pro Kuh. Neben der neuen Technik der künstlichen Befruchtung des Viehs ist es dem Erzähler wichtig zu betonen, dass die Viehställe durch die Expansion zu klein geworden sind, so dass etwa für die Kühe ein „vierreihiger“ Stall gebaut wurde, aber auch die Schweine einen neuen Stall bekämen. Angetan ist der Leiter der Farm auch von einer bahnbrechenden Erfindung im Kuhstall: Anstatt die „Gallonen“ (Milchbehälter) den Stall mit eingeengten Durchgängen entlang tragen zu müssen, haben sie eigens eine Technik entwickelt, um die Milchbehälter leichter transportieren zu können. |
Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00010_SE_01 |
Der Sprecher erzählt von einem Unfall, der ihm passierte als er einmal mit zwei anderen Männern in den Wald fuhr, um Holz für die Kolchose zu holen. Die Straßen waren sehr schlecht und das Fahrzeug ist auf dem Rückweg im Sand stehen geblieben. Die Männer wollten Rundholzstangen unter das Fahrzeug legen. Bei dieser Aktion wurde dem Sprecher die Hand fast abgerissen. |
Unfall ; Krankenhaus |
Erinnerung |
RUDI_E_00011_SE_01 |
„Wenn man bauen will…“ So beginnt der Sprecher dieser Aufnahme die Erklärung einer möglichen Bauweise eines Hauses, wie sie in niederdeutschen Ansiedlungen Mitte des 20. Jahrhunderts in Westsibirien praktiziert wurde. Also wenn man bauen will, braucht man zunächst einen ganzen Holzvorrat, den man sich im Winter selbst aus dem Wald verschafft – die Preise für das Holz waren damals teuer und das Holz zum Verkaufen rar. Wenn man dann in wärmeren Tagen mit dem Bau beginnt, schneidet man sich zuallererst Holzpfeiler (sog. „Stützen“) zurecht, die dann die äußeren Enden der Wände bilden werden. Diese stellt man an den entsprechenden Positionen auf und stampft sie in die Erde fest. Anschließend werden die Pfeiler von oben ringsherum mit Brettern verbunden, sodass diese einen „Ringanker“ bilden. An den beiden Längsseiten werden nun Pfetten (=parallel zum First verlaufende Trägerbalken) aufgelegt und befestigt. Darauf werden zwischen den Pfeilern lückenlos Rundholzstangen montiert, sodass sich daraus Wände ergeben. Jetzt kann das (spitze) Dach aufgeschlagen werden, wozu Sparren aufgestellt werden müssen. Steht einmal die Dachkonstruktion, kann mit dem Verdichten bzw. Isolieren der Wände begonnen werden: Dazu bedarf es einer Lehmmischung, die dann auf die Wände aufgetragen wird. Um Lehm zu bekommen, gräbt man den Keller nach und nach aus. Das Wasser für diese Mischung, aber auch Hilfspferde, besorgt man sich von der Kolchose. Bevor jedoch mit der Arbeit begonnen werden kann, muss man viele Helfer aus dem Dorf organisieren, die bei dieser aufwendigen Arbeit mitanpacken. Wenn die Lehmmischung zum ersten Mal auf die Wände grob aufgetragen worden ist, muss man sie erst trocknen lassen. Währenddessen kann man schon die Türen, Türzargen und die Holzverkleidung für die Türzargen anfertigen und einbauen. Danach werden die Wände ein zweites Mal mit der Lehmmischung überzogen. Bevor zum dritten Mal Lehm aufgetragen wird, kann schon das Dach gedeckt werden. Das geschieht, indem zuerst der Schornstein aufgenagelt wird, Teerpappe und Schieferplatten verlegt und abschließend die Giebelseiten mit Brettern zugenagelt werden. Danach werden überall die Fenster eingesetzt. Im Anschluss überglättet man die Wände ein letztes Mal mit der Lehmmischung. Jetzt fehlen nur noch die verzierten Endstücke an den herausragenden Pfetten und der Boden, der noch verlegt werden muss, aber auch der Stall muss noch eingerichtet werden. „Dann zieht man ein.“ |
Hausbau |
Erinnerung |
RUDI_E_00012_SE_01 |
Die Sprecherin des niederdeutschen Dialekts erzählt, dass sie in einer Kolonie ohne Eltern aufgewachsen ist. In der Kolonie hat schrecklicher Hunger und Elend geherrscht. Sie hatte eine Tante und zwei Geschwister. Dort haben sie ein Haus gekauft, in dem sie bis 1940 gelebt haben. Dann kam die Zeit, wo der schreckliche Krieg sie verjagt hat. Der Sohn, der im August geboren war, war zu dem Zeitpunkt nicht mal zwei Monate alt. Das Dorf wurde dann von Soldaten belagert, in allen Häusern und auf allen Höfen waren Pferdegespanne, Pferde und Soldaten untergebracht. Das Dorf bot einen ganz schrecklichen und traurigen Anblick. Der Mann der Sprecherin war zuletzt Brigadeleiter (Brigadier) und sie hatten ein kleines Kind. Dann wurden alle Einwohner aus dem Dorf ausgesiedelt, nur ihre Familie und ein paar Nachbarn waren noch übrig geblieben. Das Gespräch ist ein Auszug aus einem größeren Gespräch, das von Hugo Jedig im Jahr 1960 in der Gegend bei Slawgorod auf Band aufgenommen wurde. In dieser Gegend befand sich damals eine sehr große niederdeutsche Siedlung. Auch heutzutage existieren dort noch Siedlungen mit Einwohnern, die noch gut den niederdeutschen Dialekt sprechen können. |
Familie ; Lebensbedingungen in einer niederdeutschen Siedlung in der Kriegszeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00013_SE_01 |
Der Sprecher erzählt von zwei Jungen, die einen Streich mit einem alten Mann spielen wollten, selbst aber die Opfer ihres Streiches wurden. |
Streiche |
Geschichte |
RUDI_E_00014_SE_01 |
Der Sprecher erzählt eine Geschichte aus seinem Leben, darüber, wie er einmal im Winter nur in einem Sommermantel im Schnee übernachten musste, weil er mit seinem Pferd in der Dunkelheit vom Weg gekommen war. |
Freizeitunterhaltung ; Winter ; Übernachten im Wald |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_01 |
Die Sprecherin erzählt, dass ihre Eltern auch beim Hausbau geholfen haben, indem sie auf das Kind aufgepasst haben. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_02 |
In diesem Ausschnitt erzählt die Sprecherin was sie gearbeitet hat. Als sie noch keine Kinder hatte, musste sie schwer arbeiten. Sie arbeitete auf einer Tenne, wo sie Getreide mit speziellen chemischen Behandlungsmitteln bearbeiten musste. Das Getreide musste mit dem Spaten mit einem Pulver vermischt werden und wurde dann aufs Feld zum Säen gefahren. Das war eine typische Arbeit für Frauen auf der Tenne, wo das Getreide über den Winter aufbewahrt wurde. Das war auch eine sehr schädliche Arbeit, denn bei diesem Vermischen haben die Frauen die chemischen Substanzen aus dem Pulver eingeatmet. Später, als die Sprecherin Kinder bekam, durfte sie für eine Zeit daheim bleiben. Später fing sie wieder an zu arbeiten. Sie arbeitete als Melkerin, es war aber trotzdem schwer für sie, weil das jüngste Kind noch nicht im Kindergarten war und es weinte immer, wenn sie es bei der Großmutter abgeben wollte, damit sie selbst zur Arbeit gehen konnte. Dann musste der ältere Bruder den Kleinsten mit in die Schule nehmen. Anders ging es nicht. |
Arbeit ; Kinder |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt, wie arm sie und ihre Familie nach dem Zweiten Weltkrieg waren. |
Schwere Lebensbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_04 |
Die Sprecherin teilt mit, dass ihre Familie 1960 ein Haus gebaut hat. |
Hausbau |
Mitteilung |
RUDI_E_00015_SE_05 |
Die Sprecherin erzählt wie ihre Familie ihr Haus gebaut hat. |
Hausbau |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_06 |
Die Sprecherin erzählt was ihr zur Hochzeit geschenkt wurde. |
Hochzeit ; Geschenke ; Geld |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_07 |
Die Sprecherin erzählt wann, wo und wie sie und ihr Mann ein Haus gebaut haben. |
Hausbau |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_08 |
Die Sprecherin erzählt von ihren Verwandten, die in ein anderes Dorf in Sibirien deportiert wurden als sie und ihre Eltern. Diesen Verwandten ging es in dem anderen Dorf besser: Sie konnten dort als Lehrer arbeiten und hatten Essen. Sie haben auch der Familie der Sprecherin oft geholfen haben, indem sie Kinder bei sich wohnen ließen oder etwas zu Essen für die Familie der Sprecherin eingepackt haben. Ärgerlicherweise wurde einmal in der Nacht das ganze Essen gestohlen, das die Sprecherin neulich von ihren Verwandten für ihre eigene Familie mitgebracht hat. |
Schwere Lebensbedingungen nach der Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_09 |
In diesem Abschnitt erzählt die Sprecherin, wie es ihr und ihrer Familie ergangen ist, nach dem sie nach Sibirien deportiert wurden. |
Deportation ; Umgang der Russen mit den Deutschen |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_10 |
Die Sprecherin sagt, dass es ihren Söhnen gut geht und sie „nichts von Armut wissen“. Sie selbst hat ihren Söhnen von ihren „armen Jahren“ nie erzählt. |
Kinder ; Armut |
Mitteilung |
RUDI_E_00015_SE_11 |
Die Sprecherin schildert eine Kindheitserinnerung, die sie aus der Erzählung ihrer Mutter erfahren hat. Während eines Schneesturms haben der Vater und noch ein anderer Mann sich in der Wolgasteppe verirrt. Anders als in Sibirien war in der Wolgaregion nicht so ein Frost, es hat zwar geschneit, aber es war trotzdem nicht so kalt wie in Sibirien. Die beiden Männer haben sich hingelegt, und da sie müde waren, sind sie eingeschlafen. Und so waren sie dann unter dem Schnee gelegen, und es hat noch mehr auf sie oben drauf geschneit. Sie haben aber geatmet und sind nicht erfroren. Nach dem Ende des Schneesturms sind die Reiter in der Steppe herumgeritten und haben die beiden Männer gefunden und gerettet. |
Wetter in der Wolgaregion ; Winter |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_12 |
Wenn im Dorf irgendwelche leere Flaschen waren, dann haben die Kinder sie in die „Lawke“ (russ. Geschäft) getragen. Sie haben sich gefreut, dass sie für die Flaschen ein paar Konfekt (Pralinen) bekommen konnten. Diese harmlose Praxis war damals in den Dörfern so üblich. In dieser scherzhaften Erinnerung geht es um eine kleine Begebenheit diesbezüglich. Als die Erzählerin noch keine Kinder hatte, hatte sie zu ihrer Schwester gesagt, sie würde ihren Kindern das nicht erlauben. Ich will mal gucken, sagte sie, wenn ich mal Kinder habe, ob ich sie auch so ins Geschäft mit den Flaschen springen lasse wie du deine. Aber dann, als sie nun selbst welche hatte, ist genau dasselbe mit ihren Kindern passiert. Sie sind genauso mit Flaschen ins Geschäft „gesprungen“ und haben sich Süßigkeiten dafür gekauft. Auf die entsprechende Frage der Schwester, wieso denn jetzt ihre Kinder auch ins Geschäft „springen“ würden, lachte die Sprecherin dann nur. |
Kinder |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_13 |
Früher waren die Hochzeiten nicht so wie heutzutage, erzählt diese Sprecherin. Man war zwar arm früher, aber die Leute waren sehr lustig und haben gut feiern können. Und es gab auch nicht so viel Essen wie heutzutage auf den Hochzeiten. Sie hatte ein schönes Brautkleid und einen aus Schafstalg selbst gemachten Brautkranz. Sie wollte ihn aufbewahren, aber sie konnte ihn nicht lange behalten, weil er aus Talg war. Fotos wurden damals noch keine gemacht. Es wurden auch nicht so viele Leute eingeladen wie heute. Man hat damals noch ganz bestimmte Regeln eingehalten. Es war zum Beispiel „Mode", dass die Brautreigen getanzt wurden. Geschenkt wurden einfache Sachen – Tüchlein, Stoff oder Handtücher. Es wurde auch nicht so viel Alkoholisches getrunken wie heutzutage. Wenn jemand „arg" trinken wollte, musste er erst etwas dafür tun. Ein Paar setzte sich auf die Brautstühle und dann haben die „Brautbuben" ihnen 100 Gramm Wodka eingeschenkt, wobei die Trinklustigen dafür noch 50 Kopeken zahlen mussten. Natürlich war das alles nur für „Pläsir" und heute stehen die Flaschen auf dem Tisch, so wird auch nicht mehr so viel und so lustig gefeiert. So schöne und lustige Hochzeiten wie damals gibt es heute nicht mehr, wie diese Sprecherin meint. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_14 |
Die Sprecherin erinnert sich an die Zeit nach der Deportation in die sibirische Gegend. Es war Kriegszeit, und es war eine sehr arme Zeit in diesen Jahren. Es gab nichts zu essen. Dann ist die Sprecherin mit ihrer Mutter in die benachbarten Dörfer gegangen, um dort bei den einheimischen Russen ihre wenigen mitgebrachten Sachen für etwas zu Essen einzutauschen. Das konnten zwei Kissen sein oder eine Wattedecke oder noch etwas, von dem bisschen, was sie noch besaßen. Dafür haben sie aber nicht viel bekommen, manchmal ein Schüsselchen voll Weizen oder Kleie, ansonsten nicht viel, sagt die Frau. Besonders für die deportierten Deutschen waren die ersten Kriegsjahre eine sehr schwere Zeit, weil sie alles in ihren Heimatorten zurücklassen mussten. |
Deportation ; Schwere Lebensbedingungen während des Krieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_15 |
Die Sprecherin wurde mit ihrer Familie im August 1941 aus der Wolgaregion in ein kleines Dorf in Sibirien deportiert. Sie berichtet über die erste, sehr schwere Zeit nach der Deportation. Einige Monate nach der Umsiedlung wurde der Vater in die Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) eingezogen. Die Mutter blieb allein mit fünf Kindern zurück. Es herrschte Hungersnot, und ein Bruder der Sprecherin ist damals vor Hunger gestorben. Die Männer waren alle fort in der Arbeitsarmee, im Dorf waren nur Kinder und alte Frauen geblieben. Dann haben Kinder im Alter von zehn-zwölf Jahren angefangen zu arbeiten. Sie erzählt über das „Kulstan“ (eine Abkürzung aus dem russischen kulturnaja stanzija „Kultur-Station“. Das war eine Einrichtung außerhalb des Ortes, im Feld bzw. auf der Steppe. Dort haben die Arbeiterinnen während der Feld- und Steppenarbeiten gewohnt. Dort haben sie auch etwas zu essen bekommen, es gab Köchinnen, die haben etwas gekocht. Mit Ochsen und Kühen haben sie gepflügt und von Hand Getreide gesät. Im Herbst hatten sie eine Art Mähmaschine gehabt, dann musste das gemähte Heu mit der Gabel auf Haufen gegabelt und herunter geladen werden. Dann wurde das Heu gedroschen. So haben sie früher gewirtschaftet, sagt die Sprecherin. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_16 |
In dieser Erzählung berichtet die Sprecherin über die Hochzeit ihres Sohnes. Dieser Typ von Hochzeiten wurde in den 1990er Jahren in Sibirien abgehalten. Da es im Sommer war, wurden im Hof Zelte aufgebaut und es sah aus wie im Klub (Gemeinschaftshaus im Dorf). Es gab sehr viele Gäste, denn fast das ganze Dorf wurde eingeladen. Hinzu kamen noch die Eingeladenen von der Seite der Braut aus dem benachbarten Dorf. Nach der Registrierung im Kreiszentrum sind alle an das Denkmal des unbekannten Soldaten und haben sich fotografieren lassen. Zu Hause wurden die Gäste nach dem russischen Brauch (die Braut war Russin der Nationalität nach) mit Brot und Salz empfangen. Das war für die Erzählerin und ihren Mann eher ungewöhnlich, aber sie machten es gern. Gekocht wurden viele Köstlichkeiten: allerhand Salate, Suppen wie Borschtsch, Nudelsuppe mit Hühnerfleisch, Kadlede (russ. Frikadellen) und Pilaw mit Reis und Fleisch. Es wurde schönes Brot und viele verschiedene Kuchen gebacken. Die Hochzeit ist gut verlaufen, konstatiert die zufriedene Frau, „keine Schlägerei war nicht“. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit ; Essen: Hochzeitsessen |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_17 |
Die Sprecherin schildert in dieser Erzählung die Ankunft und die ersten Erlebnisse in Sibirien nach der Deportation aus dem wolgadeutschen Heimatort im August des Jahres 1941. Sie erzählt, in welchem schlechten Haus sie zunächst untergebracht wurden und wie traurig und verzweifelt („geschlagen“) ihre Eltern gewesen waren, als sie diesen Ort und dieses Haus gesehen haben. Die Lage verschlimmerte sich noch, als der Vater der Sprecherin bereits im Januar 1942 in die Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) einberufen wurde und die Mutter mit den anderen Kindern alleine zurückblieb. Die Frau erzählt, wie die Familie von einem Platz auf den anderen „geschmissen“ wurden, wie sie bei anderen Leuten, in der Schule oder im Dorfsowjet unterschlüpfen mussten. Es gab in dieser schweren Kriegszeit keine Häuser und keinen Brennstoff, so dass mehrere Familien in einem Haus wohnen mussten. |
Deportation ; Schwere Lebensbedingungen während des Krieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_18 |
Die Erzählung zeigt das Bild, als der Vater der Sprecherin im Jahr 1947 aus der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) in das sibirische Dorf zurückkehrte, wo er seine Familie vor sechs Jahren allein lassen musste. Der Familie – der Frau und den vier Kindern ging es in den sechs Jahren ohne das Familienoberhaupt sehr schlecht. Sie hatten nur ein leeres „Stück Bett“, sagt die Erzählerin, bedeckt nur mit alten Polowiki (russ. gewebte Fußmatten). Der Vater ist nicht mit leeren Händen zurückgekommen, er hatte etwas von dem grünen „Soldatenzeug“ (Stoff) dabei, und darüber freute sich die Familie sehr. Die Mutter hat daraus nicht nur Röcke für die Mädchen, sondern auch einen Strohsack für das Bett genäht. Diesen Strohsack haben sie mit frischem Stroh vollgestopft und dann, sagt die Frau, ist es schon besser gegangen. Der Vater hat angefangen zu arbeiten, sie haben zusammen mit dem Vater das gemeinschaftliche Vieh angenommen und gehütet. Und in den Jahren 1948 oder 1949, da ist es schon besser gegangen, in diesen Jahren. Da war ja auch der Krieg schon zu Ende. |
Schwere Lebensbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_19 |
Im Jahr 1938 wurden in Sibirien in dem deutschen Dorf buchstäblich alle Männer verhaftet. Wie das gelaufen ist, schildert die Sprecherin in dieser Erzählung. Sie selbst haben das zwar nicht direkt erlebt, haben aber nach ihrer Ankunft im Dorf allmählich von diesen Ereignissen Kenntnis bekommen. Als sie am Anfang des Krieges in das Dorf deportiert wurden, waren dort kaum noch Männer anwesend. Die Sprecherin verdeutlicht an Beispielen, wie dieser Prozess der Verhaftung und Verunglimpfung gelaufen ist. Es war viel schlimmer gewesen, als die Verhaftungswellen in der Wolgaregion, wo das doch nicht so grausam gewesen war wie hier in Sibirien, wo alle Männer der Reihe nach abgeholt wurden, sagt die Frau. Die Männer wurden verhaftet und die meisten sind nie wieder ins Dorf zurückgekommen. So haben sie das damals gemacht mit den Menschen, schließt die Sprecherin. |
Deportation ; Schwere Lebensbedingungen ; Umgang der Russen mit den Deutschen in der Vorkriegszeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_20 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem Vater und seinen Brüdern, die während des Krieges in die Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) einberufen wurden. |
Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_21 |
Die Umsiedlung bzw. Deportation begann bei dieser Sprecherin eines Abends, als die alten Leute in ihrem Heimatsort an der Wolga auf den „Bänkchen“ saßen und sprachen, und sprachen. Nun was sprechen die da, wurde gesagt. Dann hat es geheißen, der Krieg hat angefangen, und wir, die Deutschen, müssen jetzt alle miteinander fort. Nun, was jetzt anfangen. Die Leute waren so traurig, und haben so gebarmt, was denn nun jetzt sein wird. Und dann hat es bei manchen Dörfern geheißen, sie müssen in 24 Stunden fort, dürfen gar nichts mitnehmen. Aber zum Glück war es in ihrem Dorf nicht so, sie hatten zumindest etwas Zeit, um sich auf den weiten Weg vorzubereiten. Sie konnten die Kühe gegen eine Bescheinigung abgegeben. Sie haben geschlachtet und Wurst gemacht, um während der Fahrt etwas Vorrat zu haben. Sie sind zwei Wochen lang in Güterwagen unterwegs gewesen. |
Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_22 |
Die Familie der Sprecherin hat 1972 versucht, den Wohnort zu wechseln und ist aus dem alten Ort im Altai nach Kasachstan umgezogen. Leider hat es der Sprecherin dort nicht gefallen, und sie hat sich nach Hause gesehnt. Sie sind dann wieder zurückgezogen, und die Sprecherin erklärt im Nachhinein, sie hätten ja dadurch nichts verloren, sie waren wie „auf Kurort“, da sie ja dort in Kasachstan kein Vieh gehalten haben, d.h. auch nicht viel Arbeit hatten. Sie sind dann aber schnell wieder nach paar Monaten in den alten Wohnort in Sibirien in ihr eigenes Haus zurückgezogen. |
Umzug ; Wohnortwechsel |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_23 |
Der in dieser Erzählung geschilderte Fall veranschaulicht den Kriegsalltag während des Bürgerkriegs in den Dörfern der wolgadeutschen Region. Es passierte mit der Familie der Sprecherin. Ihre Mutter hat eines Tages ihren Schwager, den Bruder ihres Mannes, in einem Versteck gefunden. Er hielt sich in dem Hohlraum unter dem Holzhaus auf, das als Stall benutzt wurde. Dieser Schwager war für einige Zeit verschollen, und auf einmal hat sie ihn dort entdeckt. Das war genau in der Zeit, als die „Weißen“ im Dorf waren und dort „gewirtschaftet“ haben. Der Fall der eigenen Familie wird ausgeweitet und führt sehr anschaulich die Ereignisse und die Grausamkeiten im Dorf vor Augen, die von den Weißen angerichtet wurden. Die Geschehnisse im Dorf haben sich so stark auf die Mutter der Sprecherin ausgewirkt, dass sie krank wurde, berichtet die Sprecherin. |
Russischer Bürgerkrieg ; Schwere Lebensbedingungen während des Krieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_24 |
Unter „Weiße“ sind hier „Weißgardisten“ gemeint, das Gegenteil von „Rotgardisten“. Die Sprecherin gibt in dieser Erzählung die Erinnerungen ihrer Mutter an das Jahr 1921 wieder. Es geht um den Bürgerkrieg, den die Wolgadeutschen in dieser zentralrussischen Gegend ganz nah miterlebt haben. Der Vater war in den Krieg eingezogen worden. Als die „Weißen“ in den Ort gekommen sind, haben sie alles mitgenommen, das Beste, was sie bei den Einwohnern in den Häusern finden konnten. Die Mutter und die Großeltern der Sprecherin, die auch im Haus wohnten, mussten den Weißen alles vorzeigen. Erst als die Mutter die Soldatenbinden (spezielle Wickel aus Stoff, die von den Soldaten um die Füße gewickelt wurden) gezeigt hat, haben die Weißen geglaubt, dass ihr Mann im Krieg war, und sich nicht irgendwo im Dorf im Versteck aufhält. Wenn sie das nicht hervorgeholt hätte, hätten sie die Frau vielleicht umgebracht oder wer weiß was gemacht, sagt die Sprecherin. |
Russischer Bürgerkrieg ; Schwere Lebensbedingungen während des Krieges |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_25 |
In den schweren, armen Jahren während des Krieges gab es für die Russlanddeutschen nach der Deportation aus ihren Heimatregionen nach Sibirien viele Schwierigkeiten und Herausforderungen. Das waren nicht nur der Hunger, die Schneestürme und Schneeberge in Sibirien, sondern auch die Wölfe, die zur damaligen Zeit in großen Mengen in Sibirien vorhanden waren und die nicht nur für das Vieh eine Gefahr darstellten, sondern auch für die Menschen sehr gefährlich werden konnten. Über einen solchen Vorfall im Winter 1944 im Altai-Gebiet (Sibirien) erzählt diese Sprecherin aus einem pfälzischen Dorf in der Nähe von Slawgorod. Sie ging zu Fuß mit ihrer Mutter nach Kulunda, dem damaligen Kreiszentrum, dem das Heimatdorf der Sprecherin angehörte. Plötzlich kamen ihnen Wölfe entgegen, was die beiden – Mutter und Tochter – in Panik versetzte. Aber sie hatten Glück, denn die Wölfe hatten etwas im Schnee entdeckt und hatten sich darauf konzentriert, und so konnten Mutter und Tochter sich retten und sind „davongekommen", wie die Sprecherin sagt |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00015_SE_26 |
In dieser Erzählung erinnert sich die Frau daran, wie sie im Jahr 1952 in Sibirien zusammen mit ihrem Mann während der Posewnaja (Aussaatkampagne) gearbeitet hat. Sie war an der angehängten Sämaschine beschäftigt, und er hat den Traktor gefahren. Während der Feldarbeit wurde das Mittagessen den Arbeitern damals geliefert. Und es war dann so, dass - wenn Mittagszeit war - der Mann ganz schnell gegessen hat und gleich wieder losfahren wollte, um weiter zu arbeiten. Und sie hatte es noch nicht „gepackt“, sich gescheit hinzusetzen und anfangen zu essen, als er schon wieder im Traktor saß und losfahren wollte. Und dann ist sie böse gewesen, hat sich geärgert, hat alles liegen lassen, und ist fort, weiter arbeiten, ohne gegessen zu haben. |
Landwirtschaftliche Arbeiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_01 |
Wenn deportierte Deutsche in einem Ort angesiedelt wurden, dann durften sie von dort in der Regel nicht ohne Genehmigung wegziehen. Der in dieser Geschichte geschilderte Fall hat sich ergeben, als die Tanten der Sprecherin aus einem kasachischen Dorf geflohen sind. Als Kasachen das am nächsten Morgen festgestellt haben, haben sie den Frauen all ihr Hab und Gut samt dem Schlitten weggenommen und gesagt, sie würden es wieder bekommen, wenn sie in das Dorf zurückkämen. Den Frauen ist nichts übrig geblieben, als zurückzugehen. Aber sie haben ihre Sachen nicht mehr bekommen. Nach einiger Zeit ist die Tante der Erzählerin mit ihren zwei Buben mit "lotterleerer" Hand in das Dorf zu ihren Verwandten gekommen. Das sei nicht zum Erzählen, beendet die Sprecherin ihre Geschichte, wie sehr die Deutschen geplagt wurden und was man ihnen alles angetan hätte. |
Lebensbedingungen im Deportationsort ; Umgang der Russen mit den Deutschen ; Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_02 |
In dem ersten Ort, wo sie nach der Deportation gelebt haben, ging es den meisten Russlanddeutschen nicht so gut, so zum Beispiel auch dieser Erzählerin. Ihnen wurde nämlich das bisschen Hab und Gut, das sie aus ihrem Heimatort in Georgien mitnehmen durften, gleich in der ersten Nacht gestohlen. Sie hatten weder etwas zu essen noch etwas anzuziehen. Es waren sehr schlechte Zeiten. Die Probandin musste schwer arbeiten, um einigermaßen die Familie über die Hungerzeit zu bringen. Ihr Mann war im Krieg, ihr Vater war im Krieg, und sie musste mit der Mutter und den kleineren Kindern das Leben in der fremden Region mit feindlich eigestellter Umgebung meistern. |
Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_03 |
Auf die Frage, ob sie am Morgen in die Schule gegangen sind, erklärt die Sprecherin, wie das damals aussah mit dem Tagesablauf der Schüler. Früher hatten die Schüler nicht so viel Zeit zum Lernen gehabt wie heute. Sie mussten nach der Schule arbeiten und im Haushalt mithelfen. Besonders während der Erntezeit hieß es, die Schultasche hinzulegen und auf dem Landstück den Eltern bei der Arbeit zu helfen. Damals hatten die Leute noch das eigene Land und Kinder mussten daheim bzw. auf dem Landstück der Familie bei allen anstehenden Arbeiten bis zum Abend mitarbeiten und sind dann zusammen mit anderen zurück nach Hause und hatten nur noch ein bisschen Zeit, um Hausaufgaben zu machen. Am nächsten Tag war das gleiche, so war es damals eingerichtet. Die Kinder hatten schon ungefähr gewusst, welche Arbeit sie zu tun hatten, und haben aber immer gefolgt, wenn die Mutter gesagt hat, wer was auf welche Art und Weise machen sollte. Sie hätten sich nicht getraut, nicht zu gehorchen. Die Sprecherin geht auf die einzelnen Herbstarbeiten ein, die sie als Kinder gemacht haben. |
Arbeiten nach der Schule ; Garten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_04 |
Eine der bitteren Erfahrungen nach der Deportation aus Georgien und der Ankunft in der neuen Gegend war, dass sie überall „ausgestohlen“ wurden. So wurden ihnen gleich bei der Ankunft in K., der Zieleisenbahnstation, die wenigen Lebensmittel („Proviant“) gestohlen, die sie besaßen. Im nächsten Ort, in den sie hingebracht wurden, sind sie auch zu so „untreuen“ Menschen ins Quartier gekommen, dass sie nicht mal die Wäsche aushängen konnten. Sie wurde vom Wäscheseil weggenommen. Sie machten schlechte Erfahrungen damit und haben in sehr schlechten Verhältnissen leben müssen. Es war kein guter Ort, in dem sie sich die erste Zeit nach der Deportation aufhalten mussten. Ein eigenes Haus besaßen sie selbstverständlich nicht. Erst später, als einige Russen aus diesem schlechten Ort weggezogen sind, konnten die paar deutschen Familien, die dorthin deportiert worden waren, in die leer gewordenen Häuser der Russen einziehen (nachdem ihnen alles geraubt worden war |
Lebensbedingungen im Deportationsort |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_05 |
Die Sprecherin zählt die Arbeiten auf, die sie in der Kolchose machen musste. |
Arbeiten in der Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_06 |
Die Sprecherin erzählt, wo sie gearbeitet hat. |
Biographie: Beruf |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_07 |
Die Sprecherin erzählt ganz kurz wie sie Plätzchen bäckt. |
Essen ; Plätzchen |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_08 |
Die Sprecherin vergleicht den früheren Heimatort Rosenberg mit dem Deportationsort in Kasachstan. |
Essen ; Getreide |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_09 |
Die Sprecherin vergleicht wie man Hochzeiten feiert: heutzutage in Kasachstan und damals in der Mutterkolonie Rosenberg in Georgien. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Erinnerung ; Meinungsäußerung |
RUDI_E_00016_SE_10 |
Die Sprecherin erzählt, dass man in Rosenberg (Georgien) am Sonntag zur Kirche gegangen ist. Dann wurde die Kirche abgenommen und alle mussten in die Kolchose. Weiter zählt sie Arbeiten auf, die sie in der Kolchose und zu Hause machen mussten. |
Abschaffung der Kirche ; Hausarbeiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_11 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Hochzeit. |
Hochzeit ; Heiraten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_12 |
Auf die Frage, ob sie gebettelt haben, antwortet die Sprecherin, dass das nicht vorgekommen ist. Sie sind dann bei Nacht in die Steppe gegangen und haben dort die liegengebliebenen Reste von Getreide und Kartoffeln gesammelt. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Hunger |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_13 |
Die Sprecherin erzählt, dass die Kirche, in der sie geheiratet hat, damals schon kein Kreuz mehr hatte. Die Kommunisten haben die Kirchen verboten und Kreuze bereits abgenommen. |
Abschaffung der Kirche |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_14 |
Die Sprecherin erzählt, mit wem aus ihrer Familie sie im Deportationsort gelebt hat und dass sie mit ihrem Bruder sehr gut ausgekommen ist. |
Familie |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_15 |
Die Sprecherin beschreibt den Weg, den sie fahren muss, wenn sie ihre Kinder besuchen möchte. |
Reise ; Transportmittel |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_16 |
Die Sprecherin erzählt wie man in Russland mit Deutschen in Deportationsgebieten umgegangen ist. Viele Deutsche wurden einfach so ins Gefängnis gesetzt. „Sauber gefegt haben die“ sagt die Sprecherin über die Russen. |
Umgang der Russen mit den Deutschen in Deportationsgebieten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_17 |
Die Sprecherin erinnert sich an eine Episode aus dem Leben ihrer Schwester. Die Schwester konnte gut singen und der Großvater hat sie gebeten ihm vorzusingen. Die Schwester hat ein witziges Lied vorgesungen. Die Sprecherin spricht das Lied nach. |
Verwandtschaft ; Singen |
Erinnerung ; Lied |
RUDI_E_00016_SE_18 |
Die Sprecherin zählt ihre Schulkameraden auf. |
Schulkameraden |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_19 |
Auf die Frage, wie lange sie in der Schule war, erinnert sich die Sprecherin an ihre Schuljahre und an einen ihrer Lehrer mit dem Namen Wiedmann in einer schwäbischen Sprachinselschule in der georgischen Gegend im Kaukasus vor dem Zweiten Weltkrieg. Es war eine der Sieben-Klassen-Schulen, wie sie damals in Georgien in ländlichen Gegenden üblich waren. Als sie in der sechsten Klasse war, war es einmal passiert, dass es nicht gerade ruhig war, als jemand während des Unterrichts kurz den Lehrer sprechen wollte. Dann haben die Schüler – ähnlich wie heute – einen großen Lärm im Klassenraum gemacht, obwohl der Lehrer Wiedmann direkt hinter der Tür in Sicht der Schüler stand. Das hat den Lehrer sehr aufgeregt, und er hat dann mit seinen eigenen Methoden einen Weg gefunden, wie er die Schüler hat beruhigen können. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_20 |
Auf die Frage, was sie in Georgien gebacken hätten, berichtet die Sprecherin, sie hätten Lebkuchen, Breetla, Küchel und auch Brot gebacken. Für das Brot hätten sie dort gar keine Hefe gemacht, sondern etwas Teig vom vorherigen Backen bis zum nächsten Mal aufbewahrt. Ansonsten ist der Prozess fast gleich gewesen wie heutzutage. Wenn die Mulde voll war, dann wurde der Teig „gelaibt“, d.h. aus dem Teig wurden runde Brotlaibe geformt. Danach wurden diese auf einen speziellen runden „Laibschießer“ gesetzt, der so ähnlich wie ein Schippchen oder Schafschäufelchen aussah. Der Laibschießer wurde mit Mehl bestreut, damit der Teig nicht anklebt. Und danach wurden die Brotlaibe mit diesem Laibschießer, der einen langen Stiel hatte, nebeneinander in den Backofen gesetzt. |
Essen ; Brot backen |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_21 |
Brot haben Russlanddeutsche immer selber gebacken. In dieser Erzählung wird ein typischer Brotbackvorgang geschildert. Um Brot zu backen, braucht man Hefe. Zuerst macht man ein Vorteigchen. Dann nimmt man ein bisschen Mehl und brüht das Mehl an. Die Hefe wurde aus Kleie gemacht. Die Sprecherin macht das alles um 13 Uhr, und am Abend macht sie dann den Teig. Nach fünf, sechs Stunden ist die Mulde manchmal schon ganz voll mit dem gegangenen Teig. Dann wird der Teig hinuntergeknetet, bis er noch einmal gegangen ist. Dann wird der Teig, nachdem er wieder hochgegangen ist, aus der Mulde heraus genommen und auf dem Tisch zu Brotlaiben geformt. Dann lässt man ihn noch einmal auf dem Tisch gehen und bereitet in dieser Zeit das Blech vor. Der Teig kommt in das Blech und wenn er auf dem Blech schön aufgeht, dann wird der Ofen angeheizt. Wenn das Feuer im Ofen ausgebrannt ist, wird das Brot „eingeschossen“. Es bleibt zwei Stunden im Ofen und dann ist es fertig, es kann gegessen werden. |
Essen ; Brotbacken |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_22 |
Eigentlich handelt es sich nicht um „Brötchen“, wie sie in der Bäckerei in Deutschland zu kaufen sind, sondern um typisch russland-schwäbische Plätzchen. Und wie die zubereitet werden, erfährt man in dieser Erzählung. Was vor allem in diesem Rezept überrascht, sind die Mengen der Zutaten: anderthalb Kilo Zucker, fünfzehn Eier, zwanzig Gläser Mehl, usw. Man muss bedenken, dass es kaum etwas zu kaufen gab in Geschäften Sibiriens oder Kasachstans, auch noch in den 1980er-Jahren war nicht in jeder deutschen Siedlung überhaupt ein Geschäft vorhanden. So dass die Hausfrauen sich immer selbst geholfen haben, indem sie leckere Gebäckerzeugnisse gewöhnlich in sehr ausreichender Menge zubereitet haben. Gebacken wurde ja auch im Ofen (nicht Gasherd), so dass es sich auch lohnen musste, den Ofen zu „feuern“. |
Essen ; Brötchen backen |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_23 |
In dieser Erzählung geht es um den Fall, der sich zur Zeit des Finnland-Kriegs ereignet hat. Die Sprecherin erinnert sich, dass ein Mann (ein Mitglied der Familie der Sprecherin) einmal geträumt hat, ihn hätte ein schwarzer Hund gebissen. Daraufhin hat er gesagt, er würde an dem Tag nirgendwohin gehen, da er so einen schlechten Traum gehabt hätte. Am morgen kam jedoch der Büttel. Die Sprecherin erläutert ausführlich, wer ein Büttel war und welche Funktionen er in der Gemeinschaft bei welchen Gelegenheiten in dem schwäbischen Dorf in Georgien hatte. In diesem Fall hat er den Mann ins Gemeindehaus gerufen. Der Büttel war somit der im Traum erschienene „schwarze Hund“. Denn nach einer Weile ist der Verwandte niedergeschlagen aus dem Gemeindehaus zurückgekehrt und hat gesagt, er müsse zur Armee. Zwar ist er nicht mehr in den Finnland-Krieg gekommen, wurde aber nach Smolensk an die Front geschickt, und hatte von dort aus den letzten Brief geschrieben, und danach hat die Familie nichts mehr von ihm gehört. So hat sich der Traum verwirklicht. |
Mobilisation in die Armee |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_24 |
In dieser Erzählung erläutert die Sprecherin als Zeitzeugin sehr detailliert die Deportation aus Georgien/Kaukasus nach Kasachstan. Die bekannten Fakten aus der Geschichte der Russlanddeutschen verwandeln sich in lebendige Erfahrungen, wie das genau gewesen ist und wie die betroffenen Menschen das empfunden haben. Mitten beim Kartoffelhacken erfährt sie die Nachricht, dass die Deutschen in vierundzwanzig Stunden alle nach Russland „verschickt“ werden. Der Mann der Sprecherin war im Krieg, und sie musste mit ihrem kleinen Sohn alleine alle Etappen des Deportationswegs durchstehen. Zuerst auf dem Wagen mit Ochsen aus der Siedlung nach Tiflis, mit der Gefahr, in die Schlucht runterzufallen, dann mit dem Zug ans Kaspische Meer, dann mit dem überladenen Schiff über das Kaspische Meer bis Krasnowodsk, dann wieder auf den Zug und durch die Sandwüste nach Alma-Ata, und schließlich dann nach Nordkasachstan, dem Zielort der Deportation. Der realistische Verlauf des Vorgangs, der in die Geschichte als „Deportation der Russlanddeutschen“ eingegangen ist, und dessen Ungerechtigkeit und Grausamkeit, wird in dieser Erzählung sehr deutlich. |
Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_25 |
Die Russlanddeutschen haben von den einheimischen Nachbarvölkern verschiedene Gerichte übernommen. Borschtsch, Pelmeni, Manty, Bischbarmak – das sind einige solcher Gerichte. Die schwäbische Erzählerin ist im Kaukasus in einer schwäbischen Siedlung geboren. Die Schwaben haben von der einheimischen Bevölkerung – den Georgiern – auch einiges aus deren Küche übernommen. So zum Beispiel die Art, auf Georgisch Weißkraut einzusäuern („Znile“). Sie haben das gelernt und zu ihrem eigenen Gericht gemacht. Andere Russlanddeutsche hatten solches Kraut nicht. Dabei wird der Kohl nicht wie üblich klein gehobelt, sondern die Krautköpfe werden in vier Teile geschnitten und so im Ganzen eingesäuert. Darüber, wie die Schwaben das aus der Heimat Kaukasus mitgebrachte georgische Gericht auch im Nordkasachstan machen, berichtet die Sprecherin in dieser Erzählung. |
Essen ; eingesäuerte Krautköpfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_26 |
Obwohl schon sehr viele Jahre vergangen sind, erinnert sich die Sprecherin noch sehr gut an alle landwirtschaftlichen Arbeiten, die in ihrer Jugend in ihrem Heimatort Rosenberg in Georgien stattgefunden haben. Sie berichtet ausführlich über die einzelnen Schritte und die Reihenfolge und die Einzelheiten dieser Arbeit. Erst war das Säen dran, der Weizen und andere Getreidesorten wurden gesät. Männer haben Säcke auf den Buckel genommen, haben eine Hand voll Korn rausgenommen und am Feld verstreut. Dann sind sie mit einer Schleppe drüber gegangen, damit der Weizen nicht oben drauf lag. Wenn man dann fertig gewesen ist mit Säen und Kartoffeln stecken, war es gleich an der Zeit zum Kartoffeln hacken. Wenn die letzten Kartoffeln fertig gehackt gewesen sind, dann mussten die ersten schon wieder gehäufelt werden. Dann musste das gemähte Heu zusammengerecht und mit Pferden zusammengeschleppt werden. Heute geht das alles mit Maschinen, merkt die Sprecherin an – damals war es schwere Arbeit. Damals hat man unter Zeitdruck gearbeitet, damit das Getreide rechtzeitig vom Feld unter Dach und Fach kommt und nicht verloren geht. |
Arbeiten in der Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_27 |
Die aus Georgien deportierten Schwaben sind in Kasachstan auch in kasachische Dörfer zugesiedelt worden. Die Sprecherin berichtet über ihre Verwandten – die Tanten, die ohne Genehmigung der kasachischen Obrigkeiten mit ihren Kindern aus dem kasachischen Dorf geflohen sind. Sie haben ihre Verwandten aus einem anderen Ort gebeten, sie abzuholen. Die Sprecherin war selbst bei dieser Flucht dabei. Die beiden kleinen Kinder wurden in eine Decke eingewickelt und in einem Schlitten über den Schnee gezogen. Auch das bisschen Hab und Gut haben sie mitgenommen und haben versucht, den Kasachen zu entkommen. Sie mussten sehr früh morgens weg aus dem Dorf, damit die Kasachen das nicht mitbekommen, sonst hätten sie sie nicht weggehen lassen. Unterwegs ist dann was Schreckliches passiert. Ihnen sind Verwandte entgegen gekommen und haben die traurige Nachricht mitgeteilt, dass ihre Männer und andere in der Trudarmee („Arbeitsarmee“) umgekommen seien. Das war eine schreckliche Nachricht, die sie mitten in der kalten schneebedeckten Steppe getroffen hatte. |
Lebensbedingungen im Deportationsort ; Kommandatur ; Flucht |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_28 |
Die Sprecherin erzählt von einem Mann, der in ihrer Familie gewohnt und im Haushalt geholfen hat, um Schwäbisch von der Sprecherin zu lernen. |
Schwäbisch lernen |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_29 |
Garben binden war eine typische Arbeit der Frauen in der Herkunftssiedlung der Sprecherin. Mit großer Geduld verdeutlicht die Sprecherin mehrmals ausführlich und detailliert, wie die Garben gebunden wurden und was das für eine komplizierte und anstrengende Handarbeit war. Bis die Garben gebunden waren, waren auch die Arme der Frauen verwundet, weil das Stroh „gestochen“ hat. Von Männern wurden die Garben dann auf den Wagen aufgeladen, heimgefahren und auf die Dreschmaschine hinauf gegabelt. Trotz der schweren Arbeit wären sie immer „wacker und wohlauf“ gewesen, haben sich morgens auf die Wagen gesetzt und gesungen, bis sie hingekommen sind auf die Landstücke. Und abends auf dem Rückweg haben sie wieder gesungen. Nun, da wären sie jung gewesen und wären nicht so schnell müde geworden, fasst die Sprecherin zusammen. |
Arbeiten in der Kolchose ; Landwirtschaftliche Arbeiten: Garbe binden |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_30 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einem weisen Jungen, der seine Großeltern gefunden hat. |
Wiederfinden von Verwandten |
Geschichte ; Märchen |
RUDI_E_00016_SE_31 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einem Mann, der von seinem zukünftigen Schwager ausgeraubt wurde. |
Stehlen |
Lehrreiche Geschichte ; Märchen |
RUDI_E_00016_SE_32 |
Vor der Kolchose hat jede Familie auf der Steppe ihr eigenes Landstück gehabt, das die Familienmitglieder alles selbst bearbeitet haben. Das war in allen russlanddeutschen Siedlungen so, bis zur „Entkulakisierung“, d.h. Enteignung und Bildung von Kolchosen. Jeder hat für sich gearbeitet, es war natürlich sehr viel Arbeit. Aber es war auch alles sehr gut organisiert und festgelegt. Besonders wichtig war die Getreideernte. In dieser Erzählung schildert die Sprecherin detailliert den Prozess der Bearbeitung von Getreide – in allen Schritten – das Säen, Mähen, Dreschen, Putzen, usw. – vom Feld bis auf den Dachboden. Es wird deutlich, wie aufwendig die Landarbeiten damals waren. Die Familien hatten eigene Pferde, mit denen die landwirtschaftlichen Arbeiten in dieser traktorlosen Zeit dann auch durchgeführt wurden. Die Erzählerin selbst und ihre Schwestern waren als Kinder und Jugendliche in den Prozess der Getreideverarbeitung fest integriert und haben – zusammen mit ihren Eltern – einen wichtigen Teil dieser Arbeiten erfüllt. Daran erinnert sich die Sprecherin noch sehr gut und schildert es mit großer Genauigkeit. |
Arbeiten in der Kolchose |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_33 |
Die Lehrer waren gut, sagt die Sprecherin, bloß die Schüler nicht, denn sie wollten nicht lernen. „Pelzwäscher“ hätte es damals in der Schule auch gegeben, also solche Schüler, die sitzen geblieben waren und die dann zwei bis drei Jahre älter waren als die üblichen Schüler in der Klasse. Und die hätten die Lehrer geärgert. In ihrer Klasse gab es einen Jungen, der manchmal ganz hartnäckig war und dann mit dem Lehrer in Auseinandersetzungen geriet. Ein Fall aus der Schulzeit war so außerordentlich, dass die Sprecherin sich auch noch nach 60 Jahren lebhaft daran erinnert, sowohl an die Namen als auch an das Ereignis selbst. Es war im Fach Geographie, und da gab es den Lehrer Baumann. Als der erwähnte Schüler das Wort „Sachalin“ aussprechen und an der Landkarte zeigen sollte, hat er aus irgendwelchen Gründen das Wort auf seine eigene Art falsch ausgesprochen, und zwar mehrmals – was den Lehrer natürlich zur entsprechenden Maßnahme veranlasst hat. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_34 |
In den Erzählungen der Russlanddeutschen der älteren Generation kommt immer wieder die Frage der Ungerechtigkeit zur Sprache. Man hat mit ihnen gemacht, was man wollte. So fasst auch diese Sprecherin ihre Erfahrungen nach der Deportation in ein kasachisches Dorf zusammen. Ihre Kuh musste sie vor der Deportation in Georgien abgeben, und auf die Quittung, die sie erhalten hat, sollte sie im Deportationsort in Kasachstan dafür eine andere bekommen. Doch das ist nicht passiert, weil der Hammel kaputtgegangen ist, wie sie ausführlich berichtet. Dass sie das vorhergesehen bzw. bezweifelt hatte, wird ihr nicht angerechnet. Wenn man sich diese Erzählung anhört, wird klar, warum die Sprecherin das als Ungerechtigkeit empfindet. |
Ungerechtigkeit ; Umgang der Russen mit den Deutschen in Deportationsgebieten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_35 |
In den armen Jahren hatten die Leute in Russland nichts zu essen gehabt. Die Regierung hat sich nicht um die hungrigen Menschen gekümmert, daher hatten die Menschen selbst sehen müssen wie sie durchkommen und wie sie ihre Familie und Kinder vor dem Hungertod retten. In dieser Erzählung verdeutlicht die Sprecherin auf eine einfache Weise, was sie damals glücklich gemacht hat: Roggenlawaschle, d.h. Küchel aus Hirse oder Roggenresten. (Die Schwaben aus Georgien gebrauchten für Küchel auch in Sibirien das Wort Lawasch, das sie aus dem Georgischen entlehnt hatten.) Sie haben ein Landstück mit Hirse entdeckt, die zufällig nicht weggebracht wurde. Die Hirsekörner waren meistens schon leer, nur Schalen waren geblieben. Trotzdem haben sie daraus Küchel gebacken und sind glücklich gewesen. Sie mussten das aber alles schön verstecken, was sie da gefunden hatten auf dem Feld. Denn wenn das entdeckt worden wäre, dann hätten sie ins Gefängnis gehen müssen, wie das in der damaligen Zeit in dieser Gesellschaft üblich war. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort ; Hunger ; Essen ; Fladenbrot |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_36 |
Auf die Frage, wie die Hochzeiten im Kaukasus gewesen wären, sagt die Probandin, das wäre genau so wie hier abgelaufen. Auch im Kaukasus war es so, dass die jungen Leute ein paar Jahre miteinander „spaziert“ sind, dann hat der Bube zuerst seine Eltern um Erlaubnis gefragt, und dann die Eltern des Mädchens. Und dann wurde die Hochzeit gemacht. Aber die Hochzeiten sind dort im Allgemeinen nicht so gefeiert worden wie hier. Den Hauptunterschied sieht die Sprecherin darin, dass im Kaukasus die Hochzeiten nicht so groß waren, und es wurden nicht so viele Leute eingeladen wie hier (in kleineren sibirischen Dörfern wurden bei Russlanddeutschen früher oft alle Leute aus dem Dorf zur Hochzeit eingeladen). Im Kaukasus wurde nicht so viel Schnaps getrunken, wie heutzutage, sondern die Hochzeit wurde mit Wein „abgehalten“, da es ja im Kaukasus viel Weintrauben gab, und man hat dann für die Hochzeit ein Fass Traubenwein eingekauft und damit wurde gefeiert. Auch hat die Hochzeit nicht so lange gedauert, und es wurde auch nicht so viel Essen hergerichtet. Von der Gerichten her gab es Nudelsuppe und Braten, danach Kuchen, Tee oder Kaffee. Und so viele Salatsachen wie hier gab es dort auch nicht. Dort war auch noch alles „christlich“, man wurde in der Kirche getraut, und dann hat man die Leute zur Hochzeit gerufen und gefeiert. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_37 |
Nach dem Winter wird erst der Schnee geschippt, den es in großen Mengen in den Steppen Sibiriens und Nordkasachstans gibt. Ab dem Frühling gibt es sehr viele Arbeiten, damit man sich auf den langen Winter vorbereitet und dann seine Ruhe haben kann, um z.B. am Ofen zu sitzen und auszuruhen. Die Winter sind ja auch so kalt in Sibirien, dass man ja auch manchmal gar nicht rausgehen kann. Sie bereiten alles vor, damit alles im Vorrat vorhanden ist: Kartoffeln pflanzen, hacken, ausgraben und in den Keller bringen, Heu mähen, nach Hause schaffen und schobern, Holz im Wald fällen, sägen, nach Hause bringen und hacken, Getreidereste als Futter für das Vieh vorbereiten, usw. Dann sitzt man und wartet bis der Winter da ist, und im Winter wird gesponnen und gestrickt – Arbeit gibt es immer. |
Landwirtschaftliche Arbeiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_38 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte wie ein Hund ein Kind gerettet hat. |
Hund ; Rettung eines Kindes |
Geschichte ; Märchen |
RUDI_E_00016_SE_39 |
Die schwäbische Sprachinsel befand sich im damaligen Georgien im Kaukasus, und als ein Schulfach hatten die Schüler dann auch die georgische Sprache („gruseenisch“). Sie waren zwar der georgischen Sprache im Allgemeinen nicht mächtig, konnten aber natürlich paar Wörter, und eines dieser Wörter war „Kamartschupa“. Damit verbunden ist eine Schulerinnerung der Frau an den Lehrer Roland in dieser Erzählung. Wenn die Schüler den Lehrer ärgern wollten, dann haben sie einen Trick angewandt und dieses Wort willentlich in besonderer Aussprache genutzt, damit sich eine andere Bedeutung ergeben hat. Dann hat sich der Lehrer aufgeregt und geärgert und hat die Schüler stundenlang als Bestrafung stehen lassen. So etwas – und auch anderes – ist auch manchmal in dieser Schule vorgekommen, wie die Sprecherin sich erinnert. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_40 |
In der gebirgigen georgischen Herkunftssiedlung dieser schwäbischen Sprecherin wurden Häuser ganz anders gebaut als z.B. in den Altajer Steppen oder in den Waldgegenden Sibiriens. Man hat dort ganz andere Materialien benutzt. Es wurde auch nur ein einziges Haus im Leben gebaut. Die Außengestaltung und die Inneneinrichtung waren auch ganz eigenartig, anders als in der Gegend in Kasachstan, in der die Sprecherin jetzt wohnt. Die frühere Gegend hatte unter anderem auch noch das Gute, dass es da häufig geregnet hat. Anders als hier ist dort der Boden sehr steinig gewesen, das hat man beim Heumähen oder Kartoffelhacken sehr gut wahrnehmen können. |
Geburtshaus in Georgien ; Hausbau ; Wetter im Kaukasus |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_41 |
Schon in Rosenberg, d.h. in der Herkunftssiedlung der Probandin im Kaukasus, hat sie in der Kolchose gearbeitet. Da es dort sehr steiniges Land gab, war es nicht möglich, die landwirtschaftlichen Maschinen bei der Arbeit einzusetzen, und die Arbeit in der Kolchose wurde von Hand ausgeführt. Die Erzählerin schildert genau, was sie als Handarbeit ausgeführt hat: Gras für das Heu mit den Sensen gemäht, Kartoffeln mit den Hacken gehackt und gehäufelt, Heu und Getreide mit den Rechen zusammengerecht und auf Wagen mit Pferden nach Hause geschafft und mit der Dreschmaschine gedroschen, nicht mit einer Kombine (russ. kombain 'Mähbinder, -drescher'). Auf die Wagen hat alles hinauf gegabelt werden müssen und wieder runter, um das Stroh zu schobern. Dort wurde mit den Händen gearbeitet, und es war eine schwere Arbeit, weil die Maschinen nicht eingesetzt werden konnten wegen des steinigen Bodens. Eine Testprobe des Ackerns mit dem Traktor hat ergeben, dass die Ernte schlecht war, und so ist man darauf zurückgegangen, wieder mit Pferden zu ackern. |
Arbeiten in der Kolchose ; Landwirtschaftliche Arbeiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_42 |
In dieser Erzählung erläutert die Sprecherin so ausführlich und detailliert das Rezept, dass man die „russland-schwäbischen Lebkuchen“ wahrscheinlich nachbacken könnte. Zumindest kann ein guter Vergleich zu den deutschen Lebkuchen gemacht und herausgefunden werden, ob es sich um ähnliche bzw. ganz andere Lebkuchen handelt. Möglicherweise ist es noch ein ursprüngliches Rezept, aus Schwaben am Anfang des 19. Jahrhunderts. Allerdings ist nicht klar, ob es sich tatsächlich um „Lebkuchen“ im ursprünglichen Sinne des Wortes handelt oder ob es nur eine ähnliche Bezeichnung ist. Nach der ausführlich dargestellten Vorgehensweise merkt die Sprecherin an, dass man am Ende um den Backofen herumläuft und gespannt darauf wartet, ob und wie gut (oder schlecht) die Lebkuchen gelungen sind. Außerdem werden noch Breetla gebacken. Breetla sind eine Art Kekse, die typischerweise von Russlanddeutschen schwäbischer Provenienz gebacken wurden. Hierzu werden von der Probandin zwanzig Eier, ein Liter Sahne, zwei Gläser Butterschmalz und ca. zwanzig Gläser Mehl verwendet. Andere Zutaten wie Zimt kommen in diese Breetla nicht hinein. |
Essen ; Lebkuchen und Plätzchen ; Rezept |
Rezept |
RUDI_E_00016_SE_43 |
Auf die Frage, ob sie etwas für den Winter eingemacht (konserviert) hätte, erklärt die Sprecherin des schwäbischen Dialekts, dass sie „Pomidoore“ mariniert hätte und erklärt das Rezept für marinierte Tomaten. Das Wort „Tomaten“ war den Russlanddeutschen aller Mundarten unbekannt, dafür wurde allerorts die russische Entsprechung gebraucht, wobei es immer mit deutschem Akzent ausgesprochen wurde. Gurken salzt diese Probandin nicht ein, denn die werden in der Familie nicht gegessen und es lohnt sich nicht, sich diese Arbeit zu machen, da die auch immer so aufreißen, deswegen hat sie mit den Gurken kein Glück beim Marinieren |
Essen ; marinierte Tomaten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_44 |
Die Sprecherin fängt an, eine Geschichte von einer Mutter und ihren zwei Söhnen zu erzählen, bricht aber ihre Erzählung ab, weil sie sich an die ganze Geschichte nicht mehr erinnert. |
Weihnachten |
Geschichte ; Märchen |
RUDI_E_00016_SE_45 |
Die schwerste Zeit, über die die Sprecherin berichtet, war für die aus Georgien deportierten Schwabenfrauen die unmittelbare Zeit nach der Deportation, als sie im Zielort angekommen sind. Vom ersten Tag an und jeden weiteren Tag mussten sie mähen und dreschen gehen, in der Kälte und schlecht gekleidet. Und als die Kombinen (russ. Kombain 'Mähbinder, -drescher') nicht ausgereicht bzw. nicht fähig waren zum Mähen, mussten die deportierten Frauen auch noch mit Sensen mähen, obwohl sie das gar nicht konnten. Tag und Nacht mussten sie Heu und Getreide führen und alle Arbeiten durchführen, die anstanden. Im Winter haben sie mit Ochsen gearbeitet. Die hatten auch kein „Kräftlein“ gehabt. Sie wurden aber in die Schlitten eingespannt und damit musste gearbeitet werden, von morgens bis in die halbe Nacht hinein musste mit ihnen Heu und Stroh geführt werden. Verbittert stellt die Sprecherin fest, dass man mit ihnen damals sehr unmenschlich umgegangen ist. Einen ganzen Sommer lang hat sie Tag und Nacht gearbeitet, und im Herbst hat sie 24 Kilogramm Weizen bekommen. Wie sollte man damit die Familie durch den Winter bringen? Das Gefühl der Bitterkeit über das damals erlebte und die Ungerechtigkeit, mit der sie behandelt wurden, ist immer noch tief in der Erinnerung dieser Frau verankert. |
Schwere Lebensbedingungen im Deportationsort |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_46 |
Es gibt Unterschiede, mit welchen Därmen die Würste gemacht werden. Die Probandin verdeutlicht, wie genau diese Unterschiede beim Würste machen berücksichtigt wurden. Es gab sehr viel Arbeit beim Schlachten. Den ganzen Tag wurde das Fleisch verarbeitet. Denn frisches Fleisch wurde nicht als solches erhalten, da es keinen Platz zum Aufbewahren gab, alles wurde verarbeitet. Schinken, Speck- und Rippenstückchen wurden in ein besonderes Geschirr reingetan, dieses Fleisch wurde nicht zu sehr gesalzen, aber es muss gesalzen werden, sonst würde es schnell ranzig werden. |
Essen ; Rinderschlachten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_47 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem Geburtsort Rosenberg, wie schön es da war. Sie haben geweint, als sie von dort weg mussten. Sie wurden nach Kasachstan gebracht. Sie erzählt auch von einer Krankheit, die dort herrschte. Von dieser Krankheit sind viele Leute gestorben. |
Rosenberg ; Deportation ; Krankheiten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_48 |
Rosenberg im Kaukasus ist ein schöner Ort gewesen, dort ist es schön und gesund gewesen. Dort sind die Leute nicht so krank gewesen wie hier, erzählt die Sprecherin. Dort ist der Mensch, wenn er krank gewesen ist, dann an einer Lungenentzündung erkrankt, sonst hat man dort nichts gewusst von Krankheiten. Sie haben im Ort auch einen Arzt (russ. Feldscherr) gehabt, der viel wusste und gut war. In diesen Ort sind Leute aus Tiflis gekommen – wie auf eine Datscha (Landhaus) in die frische Luft. Schön ist der Ort gewesen. Wenn Leute gestorben sind, dann z.B. an einer Blinddarmentzündung, wenn es nicht gelungen war, den Kranken rechtzeitig in das Krankenhaus zu bringen. Die Kinder, wenn sie gestorben sind, dann meistens an Gicht. Aber ansonsten sind wenige Leute gestorben an Krankheiten in dem Heimatort Rosenberg. |
Rosenberg ; Krankheiten ; Gesundheit |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_49 |
Die Sprecherin stellt ihr Herkunftsdorf Rosenbeg in Georgien dem jetzigen Wohnort gegenüber. Die Jugend hatte in Georgien eine sehr gute Zeit und es war sehr lustig. Es war von der Natur her dort sehr schön, und die Wetterverhältnisse waren sehr günstig. Es war dort ein wunderbares Klima. Und sonntags nachmittags zog die Jugend mit der „Garmoschka“ (Akkordeon) raus aufs Land, und es wurde getanzt und gesungen und gespielt bis in den Abend hinein. Dann ging man zurück ins Dorf, versorgte das Vieh, melkte die Kuh, brachte die Milch ins „Käshaus“ (Käserei) und dann ist man wieder fort mit der Garmoschka. Demgegenüber ist es hier ganz anders. Die Frau erinnert sich, als sie nach der Deportation aus Georgien in diese nordkasachische Steppe kamen, haben sie sich gefragt, was die Jugend hier Schönes hätte. Entweder ist es kalt oder heiß oder es gibt Stechmücken. Hier könne die Jugend ja gar nicht raus. Und in Rosenberg war ein gesundes Klima. Dort sind im Sommer die Besucher aus Tiflis gekommen, um frische Luft zu schnappen. Das Dorf war nicht groß, aber es war dort zur Jugendzeit sehr lustig und es waren lauter Schwaben dort, die Leute im Dorf waren sich sehr einig. |
Schwabendorf ; Jugend ; Freizeitunterhaltung ; Wetter im Kaukasus |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_50 |
Diese Erzählung gibt eine gute Vorstellung davon, wie in den russlanddeutschen Siedlungen geschlachtet wurde. Besonders ausführlich geht es um die Bearbeitung des Fleisches und die Vorbereitung von Vorräten für den ganzen Winter und später. Übliche Prozesse waren die Herstellung von Wurst und die Zubereitung von Schmalz und Grieben. Besonders wichtig war die Herstellung von Würsten. In ländlichen Gegenden gab es keine Wurst zu kaufen, daher waren die Landbewohner auf selbst hergestellte Würste angewiesen. Man hat sich sehr gründlich mit dieser Arbeit beschäftigt. Es bereitet der Sprecherin keine Schwierigkeiten, darüber zu erzählen. Alles ist klar und alles ist festgelegt in den verschiedenen dazu gehörenden Prozeduren. |
Essen ; Schweineschlachten |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_51 |
In Sibirien und Nordkasachstan gab es gewaltige Schneestürme und danach häufig so hohe Schneeberge in den Orten, dass man die Telegraphendrähte greifen konnte. Die Sprecherin erzählt über die 1940er Jahre als Beispiel. (Aber auch danach, noch in den 1960er- und bis Mitte der 1970er-Jahre gab es solche Sturmwetter in Sibirien. Die Russlanddeutschen nannten diese Schneestürme „Buran“, wie das russ. Wort буран.) Die Türen der Häuser mussten ausgegraben, d.h. vom Schnee befreit werden. Die Erzählerin wohnte im äußersten Häuschen der Siedlung, das vollständig vom Schnee zugestöbert wurde, so dass man es nicht sehen konnte, es war vollständig unter Schnee. Sie haben sich im Frühling „duppelig“ schippen müssen, bis sie das Häuschen ausgegraben hatten. Auch das Vieh konnte ja nicht heraus während solcher Schneestürme, und dann gab es Probleme mit Wasser, sie mussten dann Wasser von sehr weit her schleppen. Wenn dann das Sturmwetter vorbei war, dann wurde die Kuh auf die Farm, die einen Brunnen hatte, getrieben und dort sattgetränkt. |
Wetter ; Lebensbedingungen in Kasachstan |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_52 |
Wenn der Sohn aus der Stadt zu Besuch kommt, dann haben die Eltern viel Vorbereitungsarbeiten zu erfüllen. Die Sprecherin berichtet über einen solchen Fall. Der Sohn hat seinen Besuch mit einem Telegramm angekündigt. Dann ging es los mit der Vorbereitung. Gockel wurden geschlachtet und es wurde gearbeitet, bis sie am Abend gekommen sind. Dann musste der Tag so eingerichtet werden, dass alles klappte und dass man gemeinsam zu Mittag oder zu Nacht essen konnte. Am nächsten Tag wurde der Teig gerichtet, um Brot und Plätzchen zu backen. Nebenbei wurde die Tagesarbeit gemacht – Melken, Kochen und sonstige Arbeit. Dann wurde das Brot gebacken, und die Plätzchen, und so ist auch der Tag mit dem Besuch vergangen |
Familie ; Tagesablauf ; Hausarbeiten ; Essen ; Plätzchen backen |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_53 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einem Mann, der viel getrunken hat und im Rausch seinen Sohn ins Meer gestoßen hat. Der Sohn ist aber nicht gestorben, er wurde von anderen Leuten aufgenommen. Viele Jahre später haben sich die beiden im Krieg kurz vor dem Tod des Vaters wieder gesehen. |
Säuferei ; Bibel ; Vater-Sohn-Wiedersehen |
Geschichte |
RUDI_E_00016_SE_54 |
In den kalten stürmischen schneereichen Wintern in Sibirien und Kasachstan ist es oft passiert, dass Menschen sich verirrt haben und erfroren sind. Diese Geschichte hat sich bei der Flucht aus einem kasachischen Ort ereignet. Erwachsene mit zwei Kindern haben sich bei Stockfinsternis verirrt und sind umhergeirrt in der Steppe und haben das Dorf, in das sie flüchten wollten, nicht gefunden. Es war kein Licht in Sicht, weil die Fenster üblicherweise alle zugestopft wurden mit Stroh. Elektrisches Licht gab es noch nicht. Die beiden Kinder im Schlitten haben gefroren und geweint. Dann haben sie ihre Sachen, die sie dabei hatten und mit dem Schlitten mitgeschleppt hatten, stehen lassen, da sie keine Kraft mehr hatten, sie weiterhin zu schleppen. Die Kinder haben sie in das Tuch gewickelt und zu zweit getragen. Endlich haben sie Licht gesehen, in einer Werkstatt gab es schon elektrisches Licht, und das haben sie erblickt. Es hat sich herausgestellt, dass sie sich dem Dorf von einer ganz anderen Richtung genähert haben, so sehr sind sie die ganze Zeit um das Dorf herum geirrt. Dann waren sie sehr froh und glücklich, dass sie nicht haben erfrieren müssen, sind hinein und haben gefragt, was das für ein Dorf sei. Endlich kamen sie dann zu Deutschen. Die Kinder waren löffelstarr gefroren, sie wurden schnell mit Schnee abgerieben und konnten so noch gerettet werden. |
Wetter in Kasachstan |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_55 |
Auf die Frage, ob es Wölfe gab in der Gegend, in der sie nach der Umsiedlung gelebt haben, berichtet die Sprecherin in der kurzen Erzählung von einem Treffen mit Wölfen, das sich einmal ereignet hat. Das war, als sie und ihre Schwester nachts an die Schober gegangen waren. Auf einmal dachten sie, da käme ein Auto gefahren. Die Erzählerin sah Scheinwerfer. In Wirklichkeit waren dies die Augen von Wölfen, sagte die Schwester. Nachts gab es sehr viele Wölfe in der Steppengegend, die überall herum gestrolcht sind, auf der Suche nach Futter. Ihre Augen sind so hin und her gerast wie Scheinwerfer von Autos. Die Frau erzählt, dass sie sehr oft Wölfen begegnete und viele Wölfe gesehen hätte. |
Wölfe |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_56 |
Den deportierten Russlanddeutschen blieb nach der Aussiedlung aus den alten Heimatorten in der Situation nichts anderes übrig, als das Leben den Umständen entsprechend neu zu gestalten. Wenn es im ersten Ansiedlungsort unerträgliche Bedingungen gab – und wenn es irgendwie möglich war – haben sich die Menschen nach einem neuen Siedlungsort umgeschaut. So ist es auch in der Erzählung der Fall, der von der Sprecherin des schwäbischen Dialekts geschildert wird. Im neuen Ort, der auch kein Paradies war, waren aber die Bedingungen etwas leichter und es gab zumindest ein wenig Hoffnung aufs Überleben. Aber die Armut war unerträglich, und insbesondere bedrückend war die Tatsache, dass sie in ihren Heimatorten alles haben stehen und liegen lassen müssen und jetzt hier, während der Mann im Krieg war, doch nicht als gute Menschen angesehen wurden und unter so erbärmlichen Bedingungen leben mussten. |
Deportation |
Erinnerung |
RUDI_E_00016_SE_57 |
In die erste Nachdeportationszeit fällt der Überlebenskampf mit Typhus, der in dem Ort ausgebrochen war, in dem die deportierten Deutschen aus Georgien lebten. Sie steckten sich im Nachbarort mit dieser schrecklichen Krankheit an, und eine ihrer Tanten ist sofort gestorben, wie die Sprecherin berichtet. Ein Arzt wurde angefordert, aber zuerst wurde von der Obrigkeit darauf keine Rücksicht genommen. Aber dann, als mehrere Leute krank wurden, wurde aus dem Kreiszentrum eine Krankenschwester geschickt und ein Raum für die Kranken eingerichtet. Alle Mitglieder der Familie wurden nacheinander krank, und es gab im Haus nicht einmal jemanden, der die Kuh hätte melken können. Dann ist die Schwester von außerhalb gekommen und hat die Kuh gemolken, damit die Kranken Milch trinken konnten. Sonst gab es kaum was zu essen. Und so wurden sie dann geimpft und gerettet und sind damals davon gekommen. |
Krankheiten ; Impfung |
Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_01 |
Die Sprecherin erzählt, wie ihre Familie während des ersten Weltkrieges aus Wolhynien ausgesiedelt wurde. Sie schildert unter welchen Bedingungen und wohin sie gefahren sind. Nach dem Ende des Krieges sind sie in die Ukraine zurückgekehrt. |
Aussiedlung der Deutschen zur Zeit des ersten Weltkrieges ; Wiederkehr in die Ukraine ; Familie |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_02 |
Die Sprecherin erzählt, wie viele Enkel und Uhrenkel sie hat. Dabei bedauert sie sehr, dass die Kinder kein Deutsch mehr sprechen. „um ein paar Jahre wird man kein deutsches Wort mehr hören hier in unseren Dörfern“ sagt sie. |
Enkelkinder |
Interview ; Mitteilung, Meinungsäußerung |
RUDI_E_00017_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte von einer Frau, die ihre Männer immer wieder umgebracht hat. |
Mord |
Geschichte |
RUDI_E_00017_SE_04 |
Wie die Hochzeiten in den wolhyniendeutschen Gemeinschaften früher abgehalten wurden, ist Thema dieser Erzählung. Am Tag der Hochzeit wurden die Brautleute zuerst kirchlich in der Stadt getraut. Wenn sie zurückkamen von der Trauung, dann wurden sie von den Gästen begrüßt, auch mit Gedichten und Scherzliedern. Danach ging es „hinter den Tisch“ (an den Tisch), es wurde gegessen, dann gesungen und getanzt. Die Sprecherin beschreibt die Tänze, die dort damals getanzt wurden, und die Lieder, die gesungen bzw. Gedichte, die aufgesagt wurden. Auf den Hochzeiten wurden auch Spiele gespielt. Sie erinnert sich noch vollständig an das Lied, das beim „Abkränzen“ der Braut (Herunternehmen des Kranzes) bei der Hochzeit gesungen wurde und trägt es vor. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit in Wolhynien |
Erinnerung ; Gedichte |
RUDI_E_00017_SE_05 |
In dieser Erzählung erfahren wir über die Jugendzeit der Sprecherin. Die jungen Leute wurden früher von den Eltern streng gehalten, abends durften sie nicht für lange ausgehen. Sie haben sich aber doch natürlich zusammengefunden („versammelt“), sagt die Sprecherin, und berichtet über die Art und Weise, wie die Jugend ihre Zeit zusammen verbracht hatte. Es waren vor allem verschiedene Spiele, die die jungen Leute gemeinsam gespielt haben. Aber sonst durften sie nicht ausgehen, insbesondere die Mädchen wurden streng gehalten. Insgesamt waren sich damals im Allgemeinen alle sehr einig. Wer reich war, hat sich Arbeiter genommen, wer arm war, musste in Dienst gehen, um Geld zu verdienen. So war das damals, meint die Sprecherin. |
Jugend ; Freizeitunterhaltung ; Spiele |
Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_06 |
Auf die Frage, wo sie das erste Mal ein Kino gesehen hätte, antwortet die Sprecherin, das wäre noch in Orsk gewesen, als sie noch ein kleines Mädchen war. Damals waren sie mit den Lehrern gegangen, allein durften sie nicht gehen, obwohl das Kino nicht so weit entfernt war. Und es war damals noch ein Stummfilm, den sie gesehen hat. Und das erste Tonkino ist verbunden mit einer Gebietsversammlung, die noch in der Erinnerung der Sprecherin ist. Sie wurde einmal zu dieser Gebietsversammlung geschickt, und dort wurden die Teilnehmer auch mit Verpflegung versorgt. Abends sind sie in Kino gegangen, und das war dann das erste Tonkino, das die Frau in ihrem Leben gesehen hat. |
Jugend ; Freizeitunterhaltung ; Kino |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_07 |
Die Sprecherin wurde vom Interviewer gefragt, welche deutschen Zeitungen und Bücher sie liest. Sie erzählt, dass sie zwei deutsche Zeitungen abonniert. |
Deutsche Zeitungen |
Interview ; Mitteilung |
RUDI_E_00017_SE_08 |
Die Sprecherin erzählt eine Geschichte, von einer Frau, die einen reichen Mann am Altar stehen lassen hat, weil sie ihn nicht geliebt hat. |
Liebe |
Geschichte |
RUDI_E_00017_SE_09 |
Wenn die Sprecherin eine Reise zu ihrer Schwester unternimmt, dann ist das eine nicht zu anstrengende Reise. Sie muss mit dem Zug Petropawlowsk-Dschesgasgan bis Akulj fahren. Dort steigt sie aus. Dann braucht sie keinen Bus mehr und nichts, sie kann zu Fuß zu dem Haus ihrer Schwester gelangen. Allerdings wurde vor kurzem eine Brücke errichtet, und jetzt ist es etwas unbequemer geworden, weil sie über die Brücke drüber muss. Vorher war die Strecke besser. Wenn sie aber nach Sibirien fährt, zu ihrem Sohn, dann ist es eine längere Geschichte. Dann muss sie in Petropawlowsk umsteigen, und in Nowokusnezk muss sie das zweite Mal umsteigen. Dann fährt sie bis zur Station Tennesch. Da durch diese Stadt nur zwei Züge fahren, gibt es jeweils auch nur einen Bus zu jedem Zug, um die Einheimischen abzuholen. Und wenn man sich verspätet, sagt die Frau, dann kann man zu Fuß laufen. Das ist ihr einmal passiert. Ansonsten fährt sie mit dem Bus zum Haus des Sohnes, und dort geht es ihr schon sehr gut. Er wohnt in einer komfortablen Wohnung und wohnt sehr schön. |
Reisen |
Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_10 |
Die Sprecherin erzählt, dass sie die deutsche Sprache in der Schule nicht gelernt hat. Nachdem sie deportiert wurden, musste sie in eine russische Schule gehen. Da sie schon etwas lesen und schreiben konnte, konnte sie eine Klasse überspringen. Als sie jedoch zurückkamen nach der Deportation, dann hatte sie einen deutschen Lehrer, der kein Russisch konnte. Sie berichtet über die Hilfe, die sie dem nicht-russischsprachigen Lehrer leisten konnte. Denn es war an sich ein guter Lehrer, sagt die Sprecherin, aber es gab keine Lehrbücher, und das war dann ein Problem. Sie erklärt genau, wie die Gegebenheiten dann waren in dieser Angelegenheit. Sie hat zwar nicht einmal vier Klassen beenden können, aber sie ist froh, dass sie sowohl Deutsch als auch Russisch lesen und schreiben kann. |
Schule |
Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_11 |
Die Frau erinnert sich an die Sprachverhältnisse in Wolhynien und den Gebrauch der deutschen Sprache. Sie unterscheidet zwischen dem Plattdeutschen und dem Deutschen, dass sie jetzt sprechen. Unter dem, was sie jetzt spricht, meint sie wohl Hochdeutsch oder auch das Hochdeutsche mit wolhyniendeutschem Akzent. Unter Plattdeutsch ist wohl der niederdeutsche Dialekt gemeint, der ja in Wolhynien auch starke Verbreitung hatte. Plattdeutsch hat sie verstanden, aber sprechen konnte sie es nicht. Die Mutter der Sprecherin sprach Deutsch, und die Sprecherin hat sich an die Sprache der Mutter gehalten. So ging es vielen anderen Sprechern auch, und die plattdeutsche Sprechweise hat dadurch abgenommen, das „Deutsche“ (Wolhyniendeutsche) dagegen immer mehr zugenommen, sagt die Sprecherin. |
Sprachen in Wolhynien |
Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_12 |
Die Sprecherin schildert wie man früher in der Kirche getraut wurde. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00017_SE_13 |
Die Sprecherin erklärt die am meisten verbreiteten Tänze während ihrer Jugendzeit. In der Erzählung kommt auch das Wort "Stückchen" vor, das möglicherweise durch das russ. "Tschastuschki" beeinflusst ist. Es war höchst selten, dass jemand mal eine Ziehharmonika hatte, meint die Sprecherin. So stellt sich die Situation nach der Schilderung der Sprecherin so dar, dass in der Gemeinschaft in der Jugendzeit wenig getanzt wurde. Sie beschreibt noch andere typische Tänze ("Figurentänze"), die verbreitet waren, als sie noch ein Mädchen war. Aber jetzt tanzt man sie nicht mehr, konstatiert die Frau, jetzt "springt" man nur. |
Jugend ; Freizeitunterhaltung ; Tänze |
Erinnerung ; Lied |
RUDI_E_00018_SE_01 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Hochzeit. |
Sitten und Gebräuche: Hochzeit; |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_02 |
Die Sprecherin erzählt über sich, über ihre Familie und wo sie gearbeitet hat. |
Kolchose ; Biographie ; Familie |
Interview ; Erzählung |
RUDI_E_00018_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt von ihrer Rückkehr in die Ukraine in 1921. Weil sie keinen Vater hatte, musste sie arbeiten. Sie erzählt was sie gemacht hat und was sie dafür verdient hat. |
Geld ; Inflation ; Impfung ; Lebensbedingungen nach dem Rückkehr in die Ukraine ; Arbeit |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_04 |
Die Sprecherin erzählt kurz welche Musikinstrumente bei den Russlanddeutschen gespielt wurden, welche Sprachen gesprochen und wie alt sie war als ihre Familie aus der Heimat deportiert war. |
Musik ; Musikinstrumente ; Sprachen ; Deportation |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_05 |
Die Sprecherin erzählt von ihrem schweren Schicksal, wie sie und ihre Familie deportiert wurden und wie sie viele Familienmitglieder verloren hat. |
Deportation ; Arbeit ; Geld ; Rente ; Krankheiten ; Familie |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_06 |
Die Sprecherin erzählt wie es ihr in der Jugend ergangen ist und wie es ihr jetzt geht. |
Jugend ; Krankheiten ; Krankenhausaufenthalt |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_07 |
Die Sprecherin singt eines der Lieder, die auf den russlanddeutschen Hochzeiten gesungen wurden. |
Lieder der Russlanddeutschen |
Lied |
RUDI_E_00018_SE_08 |
Die Sprecherin erzählt, wie die Jugendlichen in ihrem Heimatdorf die Freizeit verbracht haben. |
Freizeitunterhaltung ; Jugend |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_09 |
Die Sprecherin erzählt, was sie gewöhnlich kocht. Auf die Bitte des Interviewers erzählt sie detailliert wie man Klöße und Kartoffel-Fuscher zubereitet. |
Essen ; Russlanddeutsche Gerichte |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_10 |
Die Sprecherin erzählt welche Sprachen sie spricht und versteht. |
Sprachen |
Interview ; Mitteilung |
RUDI_E_00018_SE_11 |
Die Sprecherin erzählt wie Russlanddeutsche früher Kinder getauft haben. |
Sitten und Gebräuche: Taufe |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_12 |
Die Sprecherin erinnert sich an die Zeit, als sie noch in der Ukraine gelebt hat. |
Wetter in der Ukraine und Kasachstan ; Leben in der Ukraine ; Essen ; Früchte ; Beeren |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00018_SE_13 |
Die Sprecherin beschreibt geographisch den Weg, den sie hinter sich hat, seitdem sie als Russlanddeutsche aus ihrer Heimat in Wolhynien ausgesiedelt worden war. |
Deportation ; Wohnortwechsel |
Interview ; Erinnerung |
RUDI_E_00019_SE_01 |
Die Sprecherin erzählt ihre Biographie. Sie erzählt, wo sie geboren wurde; von ihren Eltern, Geschwistern, ihrem Mann und ihren Kindern; von den schweren Lebensbedingungen, von der Deportation und von ihrer Zeit in der Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Familie ; Arbeit ; Deportation ; Arbeitsarmee (russ. Trudarmija) |
Erinnerung |
RUDI_E_00019_SE_02 |
Die Sprecherin erzählt wie schwer es ihr erging, als sie allein sieben Kinder ernähren musste. Sie hat für andere genäht. Die Leute haben ihr dafür Lebensmittel gegeben. Damit sie aber auch Kleidung kaufen könnte, wollte sie einige Lebensmittel verkaufen. Dafür wurde sie verhaftet und im Gericht verurteilt. Dank einem Bekannten, der damals Vorsitzender einer Kolchose war, hat sie nur auf Bewährung bekommen. |
Familie ; Kinder |
Erinnerung |
RUDI_E_00019_SE_03 |
Die Sprecherin erzählt von der Rückkehr ihres Vaters aus dem Krieg. |
Familie ; Hunger |
Erinnerung |
RUDI_E_00020_SE_01 |
Im Jahr 1974 hat diese Sprecherin eine Auslandsreise unternommen. Das war ein sehr seltenes Ereignis im Leben der Russlanddeutschen. Sie schildert ausführlich, in welchen osteuropäischen Ländern sie gewesen sind und was sie als Touristen unternommen haben. Sie waren in Sofia, Solotyje Peski, besuchten das Denkmal der russischen Soldaten. Zwölf Tage waren sie in Bulgarien, dann in Rumänien. Sie besuchten „Traubenplantagen" (Weingärten), und vieles andere. Es hat ihnen gut gefallen, allerdings war es nicht mehr warm, es war schon im November und Dezember. In Moskau haben sie auch das Lenin-Mausoleum besucht. Auch die Tochter war mit ihrem Mann in Bulgarien. Sie waren dort im Juli und konnten auch das Obst genießen, das dort wächst. Die Sprecherin erzählt, dass ihre Reise von der Kolchose organisiert wurde, sie haben ihre „Putjowki" (Reiseunterlagen) durch die Kolchose bekommen, deswegen war ihre Reise billiger als die Reise ihrer Tochter. Die Tochter war auch in Moskau und es hat ihr auch sehr gut gefallen. |
Reisen ; Auslandsreise |
Erinnerung |